Esther Federspiel lehrt und forscht rund um das Thema Innovation. Im Interview spricht sie über Erfindungen aus Frauenhand, über Kaffeekapseln und darüber, was es braucht, damit aus guten Ideen etwas Innovatives entsteht.
Interview:
Was fasziniert Sie am Thema Innovation?
Innovationen können Probleme in Chancen verwandeln. So sind viele innovative Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen als Antwort auf bestimmte Herausforderungen entwickelt worden. Anders gesagt: Es gibt keine Probleme, nur gute Momente für Innovationen.
Ob Elon Musk oder Steve Jobs: Auch in der heutigen Zeit stehen eher Männer für Innovationskraft und Erfindergeist. Warum ist das so?
Oft gilt die öffentliche Aufmerksamkeit hauptsächlich der technischen Dimension von Innovationen. Da Frauen in technisch geprägten Berufen nach wie vor in der Minderheit sind, wird Innovation als männliches Berufsfeld angesehen. Mythen wie jene der sechs Gründerväter des Silicon Valley nähren diese Vorstellung noch. Den wenigsten ist bekannt, dass viele bahnbrechende Entwicklungen auf Frauen zurückzuführen sind: zum Beispiel die Autoheizung, das Material Kevlar, mit dem Weltraumraketen gebaut werden, oder die kabellose Funkfernsteuerung, die als Grundlage für WLAN, Bluetooth und GPS dient.
Den wenigsten ist bekannt, dass viele bahnbrechende Entwicklungen auf Frauen zurückzuführen sind.
Esther Federspiel
Wie wichtig ist denn technisches Know-how in der Innovationsbranche?
Eine technische Entwicklung allein macht noch keine Innovation aus. Man kann sie erst dann als solche bezeichnen, wenn sie sich erfolgreich auf dem Markt behauptet. Bis Nespresso den Markt eroberte, dauerte es 15 Jahre. Die technische Erfindung dieses Kaffeekapsel-Systems war damals längst geschehen. Innovationsfähigkeit ist in den meisten Fällen der Leistung eines Teams zu verdanken, dessen Mitglieder über verschiedene Kompetenzen verfügen.
Welche Kompetenzen sind das?
Entscheidend ist die Kompetenz, die erfolgsentscheidenden Dimensionen in einer intelligenten Neukombination mit klarem Nutzenversprechen, quasi als Produktvision, zusammenfügen zu können. Im Falle von Nespresso waren hier neben der technischen Innovation, das Marketing, das Design und die Distribution zentrale und integrale Faktoren für den Markterfolg. Daneben sind alle Kompetenzen aus der Wertschöpfungskette eines Unternehmens relevant. So ist im Innovationsprozess beispielsweise auch Kommunikationsfähigkeit gefragt. Es gilt, das Produkt bei den richtigen Personen bekannt zu machen.
Sie leiten den CAS Innovationsmanagement an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. An wen richtet sich der Lehrgang?
Der Lehrgang ist am «IDEE Institut für Innovation, Design & Engineering» angesiedelt und wie dieses interdisziplinär ausgerichtet. In der Überzeugung, dass verschiedene Perspektiven bei Innovationen einen hohen Mehrwert bieten, sprechen wir mit unseren Weiterbildungen Fachkräfte aus unterschiedlichsten Fachgebieten an. Die heterogene Klassenzusammensetzung fördert mit dem entstehenden Netzwerk dieses Potential. Wir haben beispielsweise Teilnehmende mit Innovationsaufgaben aus der Industrie, aus dem Gesundheitswesen, aus dem Bank- und Versicherungswesen, aber auch aus dem Bildungs- und Kulturbereich.
Der Lehrgang vermittelt unter anderem Wissen dazu, wie man Innovationsfähigkeit im Unternehmen fördert und strategisch verankert. Welche Rolle spielen Frauen für eine solche Innovationskultur?
Kaufentscheide werden immer öfters von Frauen getroffen. So sind auch in der Entwicklung – besonders in männergeprägten Umfeldern wie der technologischen Branche – weibliche Perspektiven wichtig.
Haben Frauen andere Denkansätze als Männer?
Unterschiedliche Menschen bringen unterschiedliche Perspektiven ein. Dass Frauen und Männer verschiedene Denkansätze haben, ist für mich ein Geschlechterstereotyp. Fachliche Hintergründe, persönlichen Charaktereigenschaften und Erfahrungen sowie biografische Ereignisse sind ausschlaggebender als das Geschlecht. Beispielsweise lernt jemand, der Familie und Beruf unter einen Hut bringen muss, hochgradig effizientes Multitasking – egal ob Mann oder Frau.
Was sind Ihre Erfahrungen als Frau, die im Innovationsbereich tätig ist?
Meine Erfahrung zeigt, dass Frauen – vor allem jene der jüngeren Generation – sich oft weniger zutrauen als junge Männer. Dies, obwohl sie hervorragende Ideen und Qualifikationen haben.
Was würden Sie Frauen raten, wenn es darum geht, gute Ideen umzusetzen?
Macht es einfach. Erlaubt euch, eure Ideen zu äussern und diese zu verfolgen. Zeigt Durchhaltewillen. Setzt auf Menschen, die eure Kompetenzen ergänzen, euch andere Perspektiven aufzeigen und mit denen ihr fachlich respektvoll disputieren könnt.
Zur Person
Esther Federspiel ist Dozentin und Projektleiterin am «IDEE Institut für Innovation, Design & Engineering» der OST – Ostschweizer Fachhochschule. In ihrer Lehr-, Forschungs-, und Beratungstätigkeit befasst sie sich schwerpunktmässig mit den Themen «Innovationskultur», «Kundenintegration in Innovationsprozesse» und «Innovationsmethoden». Dazu berät sie Unternehmen und Organisationen. Seit 2018 leitet sie zudem den Zertifikatslehrgang (CAS) Innovationsmanagement an der OST. Darüber hinaus leitet sie vom Bund geförderte Forschungsprojekte und erarbeitet in dieser Funktion gemeinsam mit Unternehmen innovative Lösungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Esther Federspiel hat ursprünglich Psychologie studiert, ein Nachdiplomstudium in Kommunikationsmanagement absolviert und war mehrere Jahre im Bereich Marketing und Kommunikation in Agenturen, Organisationen und Unternehmen tätig.
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