Fokus auf den Menschen hinter dem Bildschirm

20. Mai 2021

Die elektronische Steuererklärung ist nur ein Beispiel dafür, wie viel sich heute per Internet erledigen lässt. Genau wie Unternehmen setzen auch Behörden, Organisationen und Institutionen vermehrt auf webbasierte Lösungen, um Prozesse einfacher, effizienter und attraktiver zu gestalten. Zahida Huber bietet bei solchen digitalen Projekten Unterstützung an. Die Service Designerin und User Experience Designerin legt ihr Augenmerk aber nicht nur darauf, wie ein neuer Online-Service optisch daherkommt. Wichtig ist für sie vor allem, dass dieser seinen Zweck und die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer erfüllt. Denn wenn diese nur Fragezeichen sehen und die Geduld verlieren, ist der Aufwand letztlich höher.

Sich online zum Impfen anmelden, die elektronische Steuererklärung ausfüllen oder im Internet einen neuen Reisepass beantragen: Wie reibungslos und frustfrei Dinge wie diese ablaufen, hängt massgeblich davon ab, wie gut die digitalen Programme und die Prozesse dahinter gestaltet sind. Undurchsichtige und klobige Systeme verderben Nutzerinnen und Nutzern schnell einmal die Laune. Mit einem durchdachten Design hingegen können Online-Services durch Benutzerfreundlichkeit und Effizienz überzeugen und sogar Begeisterung auslösen.

Zielgruppe interviewen, beobachten, involvieren

Zahida Huber, Service Designerin und User Experience Designerin

Zahida Huber ist Service Designerin und User Experience Designerin bei Liip, einer Schweizer Digital-Agentur. Unter anderem begleitet sie Kundinnen und Kunden beim Aufbau verschiedenster Online-Projekte. Häufig erlebt sie, dass Auftraggeber bereits von Beginn weg eine konkrete Vorstellung eines digitalen Produkts im Kopf haben: zum Beispiel eine App. In solchen Fällen plädiert Zahida Huber stets dafür, die Technologie zuerst einmal aussen vorzulassen. «Diese ist nur ein Hilfsmittel», sagt sie. «Vielmehr gilt es anfangs zu klären, was man erreichen will, welche Zielgruppe angesprochen werden soll und was deren Bedürfnisse sind.» Diese Fragen zu beantworten, sei nicht immer einfach. «Es braucht oftmals eine vertiefte Recherche.»

Doch wie kommt man seiner Zielgruppe auf die Spur? Und wie findet man heraus, wie diese tickt? Es gebe verschiedene Ausgangslagen und Herangehensweisen, sagt Zahida Huber. «Wenn man bereits eine Dienstleistung anbietet, hat man allenfalls Telefonnummern oder E-Mail-Adressen, über die man mit den potenziellen Nutzerinnen und Nutzern in Kontakt treten kann.» Ansonsten bestehe auch die Möglichkeit, eine bestimmte Zielgruppe zu definieren und Personen mit entsprechendem Profil über eine Agentur rekrutieren zu lassen.

Die Technologie ist nur ein Hilfsmittel. Vor der Wahl eines konkreten digitalen Produkts gilt es zu klären, was man erreichen will, welche Zielgruppen angesprochen werden soll und was deren Bedürfnisse sind.

Zahida Huber, Service Designerin und User Experience Designerin

Um die Bedürfnisse der Zielgruppe zu evaluieren, existiert eine Vielzahl an Methoden. Das Typischste sei, die Personen zu interviewen, sagt Zahida Huber und erläutert dies am Beispiel der elektronischen Steuererklärung: «Hier kann man etwa fragen, was gut funktioniert hat, was mühsam war oder was gefehlt hat.» Noch mehr erfahre man aber, wenn man mit den Leuten einen Termin ausmache, um sie beim Ausfüllen der Steuererklärung zu beobachten. «Oft werden dann Problemstellungen deutlich, die bei einer Befragung unerwähnt bleiben.» Ein weiterer guter Weg sei, die Leute in die Lösungsfindung zu involvieren. Dies, indem man sie frage, wie sie die Applikation gestalten würden, damit sie ihrer Idealvorstellung möglichst nahekommt.

Wer am Anfang spart, bezahlt am Ende mehr

Immer mehr Dienstleistungen werden über das Internet angeboten. Behörden, Parteien, Verbände, kulturelle Einrichtungen, Organisationen und Unternehmen bemühen sich um webbasierte Lösungen. Zahida Huber stellt fest, dass viele dieser Online-Services nicht optimal gestaltet sind. Etwa, weil man versucht hat, einen Prozess eins zu eins vom Analogen ins Digitale zu übertragen. «Das funktioniert nicht immer», erklärt die Service Designerin. «Es braucht manchmal Änderungen im Prozess.»

Zum Misserfolg könne es aber auch führen, wenn man von den Nutzerinnen und Nutzern zu viel Vorwissen voraussetze oder sie mit internen Begriffen oder Fachjargon verwirre und überfordere.

Zahida Huber weiss: Wenn schnell eine Online-Lösung her muss, nehmen sich viele keine Zeit, um zentrale Schritte – beispielsweise Interviews oder Testings mit der Zielgruppe – durchzuführen. Letztlich sei der zeitliche und finanzielle Aufwand aber höher, wenn der Nutzer in eine Sackgasse gelange, nur noch Fragezeichen sehe und die Geduld verliere.

Mit dem Schreibblock auf die Strasse

Den Austausch mit der Zielgruppe erachtet Zahida Huber als eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, um mit einem digitalen Projekt ein Bedürfnis zu treffen. Was aber, wenn eine Organisation nur wenig Budget zur Verfügung hat? «Es gibt viele kleine Dinge, die man machen kann, und der Kontakt zu den Leuten gelingt häufig auch auf ganz einfache Weise», sagt sie. So sei es allemal besser, sich einen Schreibblock zu schnappen und potenzielle Nutzerinnen und Nutzer auf der Strasse zu befragen als nur blosse Annahmen über deren Bedürfnisse zu treffen. Ihre Devise: Den Menschen ins Zentrum stellen. Damit minimiert sich auch das Risiko, am Ziel vorbeizuschiessen.  

Zur Person
Zahida Huber ist bei der Digital-Agentur Liip als Service Designerin und User Experience Designerin tätig. Nebenbei unterrichtet sie im Zertifikatslehrgang (CAS) Digital Public Services and Communication an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Dieser Lehrgang vermittelt Grundlagen und praxisorientiertes Fachwissen rund um die digitale Kommunikation und die Entwicklung von Online-Services im öffentlichen Sektor.

Dieser Blogbeitrag basiert auf dem Online-Gespräch «Menschen ins Zentrum stellen mit Service Design», das im Rahmen der Gesprächsreihe «Neue Öffentlichkeit» stattfand.