Fungibilität, Fungi oder was?

5. Mai 2022

Nein, fungibel hat nichts mit Pilzen zu tun. Fungibel klingt zwar sehr ähnlich wie die lateinischen Wörter «Fungi» oder – die Einzahl davon – «Fungus», bedeutet aber etwas völlig anderes. Fungibel oder auf Englisch «fungible» bedeutet vertretbar oder austauschbar. Der Unterschied zwischen vertretbaren und nicht vertretbaren Gütern wurde in den letzten Monaten in der Finanzwelt immer stärker bewusst thematisiert. Grund dafür sind die sogenannten Non-Fungible-Tokens oder NFTs.

Von Pascal Egloff und Prof. Ernesto Turnes

NFTs sind am Boomen. Sie schiessen teilweise, trotz anderem Wortstamm, wie die Pilze aus dem Boden. Bei NFTs handelt es sich nämlich um eine Entwicklung aus dem Umfeld der Blockchain-Technologie. NFTs versprechen, digitale Informationen, Daten oder Güter einzigartig abbilden zu können. Für diese NFTs wurden in den vergangenen Monaten teils riesige Summen bezahlt. Mit riesigen Summen sind an dieser Stelle zum Beispiel die rund $ 69 Millionen gemeint, die im letzten Jahr für das digitale Kunstwerk «Everydays: the First 5000 Days» des Künstlers mit dem Pseudonym Beeple (bürgerlicher Name Mike Winkelmann) bezahlt. Bevor wir uns nun aber mit Transaktionspreisen und den Marktentwicklungen beschäftigen, wird an dieser Stelle zuerst das Prinzip der Fungibilität genauer abgegrenzt.

Digitale Einzigartigkeit

Der Unterschied zwischen materiellen (tangible) und immateriellen (intangible) Werten ist schnell erklärt. Etwas Materielles kann man anfassen, immaterielle Güter hingegen existieren rein in unserer Vorstellung oder zum Beispiel in digitaler Form. Digitale oder Krypto Assets wie Bitcoin oder Ether(eum) sind sehr gute Beispiele für immaterielle Güter. Ein Bitcoin oder ein Ether sind gleichzeitig ebenso austauschbar wie ihre Pendants aus der klassischen, materiellen Finanzwelt wie zum Beispiel Banknoten oder Goldbarren. Es kommt in der Regel nicht darauf an, ob man die eine Zehn-Franken-Note oder die andere besitzt. Ähnlich ist es bei den vorhin genannten Kryptowährungen.

NFTs gehören zu den immateriellen Gütern, die nicht austauschbar sind.

Auf der anderen Seite gibt es nun diese zusätzliche Unterscheidung zwischen nicht austauschbaren und austauschbaren Gütern. Bekannte (materielle) nicht austauschbare Güter sind zum Beispiel Immobilien, Kunstwerke oder andere Sammelgegenstände. Selbst bei Reiheneinfamilienhäusern sind die einzelnen Partien nicht immer gleichwertig zueinander. Das eine Haus mag zum Beispiel eine bessere Aussicht bieten als das andere. Auch bei Kunstwerken wie zum Beispiel Bildern werden in der Regel nur limitierte Auflagen erstellt. NFTs oder eben Non-Fungible-Tokens repräsentieren die digitale Variante davon.

NFTs – die Tokens für digitale Bilder, Videos, Lieder, Spiele…

Das Wort Tokens gibt uns den entscheidenden Hinweis, dass es sich bei Non-Fungible-Tokens höchstwahrscheinlich um eine Applikation basierend auf einer Blockchain handelt. Tokens bringen den Vorteil mit sich, dass sie zwar digital, aber nicht kopier- oder fälschbar sind. Bei NFTs werden im Gegensatz zu Kryptowährungen oftmals Bild-, Video oder Audiodateien als Tokens abgebildet. Dies erlaubt es, diese Dateien in einer digitalen Welt abzubilden, sie zu handeln und sie teilweise als Pfand für Kredite zu hinterlegen. Die Anwendungsfälle für NFTs gehen aber noch viel weiter. Beliebt ist zum Beispiel auch die Verwendung von NFTs, um sogenannte In-Game-Items in Videospielen (z.B. ein spezieller Gegenstand wie ein Schild für die Spielfigur) abzubilden und einen Handel zwischen den Spielern zu ermöglichen. Der Vorstellungskraft scheinen aktuell kaum Grenzen gesetzt zu sein.

Bei NFTs werden im Gegensatz zu Kryptowährungen oftmals Bild-, Video oder Audiodateien als Tokens abgebildet. Dies erlaubt es, diese Dateien in einer digitalen Welt abzubilden, sie zu handeln und sie teilweise als Pfand für Kredite zu hinterlegen.

Wie so oft ist es jedoch nicht ganz so einfach, wie auf den ersten Blick angenommen. Ein NFT ist im technischen Sinne ein sogenannter Smart Contract. Dieser Smart Contract regelt alle Funktionen, die der Token hat. Dazu gehört zum Beispiel die Funktion, wie der Token verschoben werden kann. Was der Smart Contract jedoch nicht beinhaltet, ist die effektive Bild-, Video- oder Audiodatei, die der Token repräsentiert. Die effektive Datei wird separat verwahrt. Der Token verweist lediglich direkt oder indirekt auf die Datei bzw. das digitale Gut. Nimmt man wiederum das Beispiel von Beeple, so mag es erstaunen, dass die Originaldatei als Download öffentlich zur Verfügung steht. Der Eigentümer des Tokens hat, rein praktisch gesehen, keinen nennenswerten Vorteil gegenüber allen anderen Nutzenden des Internets.

Trotzdem kann auch an dieser Stelle auf die «traditionelle» Kunstwelt als Analogie verwiesen werden: Auch bisher konnte man sich relativ leicht Zugang zu einer täuschend echten Version eines Kunstwerks verschaffen. Dies musste nicht einmal illegal sein. Ein einfaches Poster der Mona Lisa ist bereits ab knapp acht Franken erhältlich. Wieso also nutzen nicht mehr Personen diese Chance? Wenn man eine schweizweite Untersuchung anstellen würde, wie viele Personen eine Kopie der Mona Lisa Zuhause haben, wäre die Zahl wahrscheinlich überschaubar. Die genauen Gründe dafür mögen vielfältig sein. Ein wichtiger davon ist wahrscheinlich psychologisch. Wer möchte schon eine Kopie ausstellen, obwohl allgemein bekannt ist, dass es sich nicht um das echte Bild handelt?

Eine Entwicklung über die Finanzwelt hinaus

Nebst diesen gibt es auch einige weitere kleinere und auch grössere Unwägbarkeiten, die noch nicht abschliessend geklärt sind. Nichtsdestotrotz stellen NFTs eine sehr spannende Entwicklung, die weit über die Finanzwelt hinausgeht, dar. Als Beispiel dafür kann das Thema Metaverse aufgeführt werden. Verschiedene Projekte und Unternehmen arbeiten mit Hochdruck daran, virtuelle Welten oder eben Metaverse aufzubauen. NFTs spielen auch dort eine wichtige Rolle.

Die gesamte Entwicklung von NFTs sowie den verbundenen Themen wie Metaverse steht noch in seinen Anfängen. Die Wahrscheinlichkeit erscheint jedoch gross, dass uns das Thema NFT noch längere Zeit begleiten und beschäftigen wird. Gleichzeitig ist auch nicht auszuschliessen, dass nach dem anfänglichen Hype auch eine Konsolidierungsphase eintreten könnte.

Trendthema NFTs

Bei Non-Fungible-Tokens (NFTs) handelt es sich um eines von vielen Trendthemen, mit denen sich die Finanzwelt beschäftigt. Der CAS Innovatives Bankmanagement an der OST – Ostschweizer Fachhochschulen setzt einen Schwerpunkt auf diese Trends in Banking & Finance und vermittelt Fach- und Führungskräften grundlegendes Wissen dazu. Darüber hinaus liegt der Fokus auf der Weiterentwicklung der Managementkompetenzen und dem Erlernen der neusten Tools zur Bankensteuerung. Der Zertifikatslehrgang richtet sich an Personen, die sich auf die aktuellen und künftigen Herausforderungen der Banken- und Finanzindustrie vorbereiten und sich selbst sowie ihre Organisation voranbringen möchten. Non-Fungible Tokens (NFTs)  und weitere aktuelle Entwicklungen im Bereich Blockchain (wie DeFi, Zentralbank- oder Tokenisierung von Vermögenswerten) werden auch im Seminar DeFi, CBDC, Tokenisierung und NFTs behandelt . Dieses Halbtagesseminar richtet sich an alle Personen, die sich bereits mit den Grundlagen der Technologie auseinandergesetzt haben. Zum Aufbau dieses Vorwissens würde sich das am gleichen Tag stattfindende Halbtagesseminar Blockchain und Crypto Assets anbieten.