«Das Ziel ist dann erreicht, wenn die Botschaft auf Anhieb ankommt»

29. Juni 2022

Steuerämter fordern Steuerpflichtige auf, ihre Steuerrechnung zu bezahlen. Spitäler informieren Patientinnen und Patienten über eine bevorstehende Operation. Und Banken machen ihrer Kundschaft neue Anlageoptionen schmackhaft. Diese drei Beispiele könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch eine Gemeinsamkeit besteht: In allen Fällen kommunizieren Expertenorganisationen mit fachfremdem Publikum. Ob die Empfängerinnen und Empfänger Briefe tatsächlich lesen, Aufrufe beherzigen und Anleitungen befolgen, hängt massgeblich davon ab, wie sich der Absender ausdrückt.

Als Journalistin, Texterin und Textcoach beschäftigt sich Andrea Sterchi intensiv mit dem Einsatz von Sprache. Seit 2015 führt sie das AS Sprachbüro. Unter anderem unterstützt sie Organisationen und Unternehmen dabei, im Umgang mit der Zielgruppe die richtigen Worte zu finden. Gegenüber weiterwissen.ch verrät sie einige Tipps für eine gelungene Experten-Laien-Kommunikation.

Andrea Sterchi, Journalistin, Texterin und Textcoach

#1 | Die Perspektive wechseln

An wen richtet sich die Botschaft? Dies gilt es zu Beginn jedes Schreibens zu klären. Für Andrea Sterchi geht es aber nicht nur darum, die Zielgruppe zu definieren, sondern sich auch in deren Perspektive hineinzuversetzen. «Das lässt eine Vorstellung darüber zu, welche Fragen die Empfängerinnen und Empfänger drängen und in welcher Situation sie sich während des Lesens befinden.» Informiere beispielsweise ein Spital eine schwerkranke Patientin über eine bevorstehende Operation, sei es wichtig zu berücksichtigen, dass die Frau möglicherweise in einer emotional sehr schwierigen Lage sei. Das bedeute, nebst einer verständlichen Sprache auch die richtige Tonalität zu wählen.

#2 | Das Ziel definieren

Warum schreiben wir diesen Brief? Was wollen damit erreichen? Was brauchen die Empfängerinnen und Empfänger von uns und was brauchen wir von ihnen? Wer diese Fragen beantworten kann, tut sich weniger schwer damit, sein Schreiben auf den Punkt zu bringen. Jede Kommunikation hat einen klaren Grund: sei es eine reine Information oder eine Aufforderung, etwas zu unterschreiben oder auszufüllen. «Den Leserinnen und Lesern sollte klar werden, was sie unbedingt wissen müssen und was der Absender von ihnen verlangt», sagt Andrea Sterchi. «Das Ziel ist dann erreicht, wenn die Botschaft auf Anhieb ankommt.»

#3 | Das Wichtigste zuerst nennen

Aufmerksamkeit und Zeit sind begrenzte Güter. Wir alle wünschen uns, möglichst schnell zu den notwendigen Informationen zu kommen. «Das Wichtigste gehört deshalb immer an den Anfang», sagt Andrea Sterchi. Allerdingst hat sie schon ab und zu beobachtet, dass erst am Schluss eines Schreibens hervorgegangen ist, mit welcher Absicht der Absender den Empfänger kontaktiert. «Im schlimmsten Fall legt der Empfänger den Brief nach ein paar Zeilen frustriert beiseite.» Damit bestehe wiederum die Gefahr, dass er einer Aufforderung nicht nachkomme.

#4 | Den Text ansprechend strukturieren

Insbesondere bei langen und komplexen Inhalten spielt die Textstruktur eine wichtige Rolle. Je übersichtlicher der Absender sein Schreiben gestaltet, desto höher ist bei den Empfängerinnen und Empfängern die Bereitschaft, dieses zu lesen – und desto eher verstehen sie es auch. «Es lohnt sich deshalb, mit strukturierenden Elementen wie Zwischentiteln, Aufzählungszeichen oder Kästchen zu arbeiten», sagt Andrea Sterchi. Das helfe, sich im Text zu orientieren und den roten Faden zu behalten.

#5 | Eine verständliche und einfache Sprache wählen

Auch in Bezug auf die Sprache gilt es, die Zielgruppe ins Zentrum zu stellen. Handelt es sich bei dieser um ein fachfremdes Publikum, müssen Expertenorganisationen – seien es Behörden, Anwaltbüros oder Gesundheitsinstitutionen – ihren Fachjargon entsprechend «übersetzen». «Ziel ist es, eine Sprache zu wählen, die möglichst viele verstehen», sagt Andrea Sterchi. Sie rät dazu, Alltagswörter zu verwenden und komplexe Sachverhalte an Beispielen zu erklären. Zudem plädiert sie für kurze Sätze und einen einfachen Satzbau. «Ein Satz sollte nicht mehr als eine Information enthalten», sagt sie. Dies alles steht für Andrea Sterchi nicht im Widerspruch zu einem professionellen Auftritt. Im Gegenteil: «Wer sich die Mühe macht, Komplexes einfach darzustellen, leistet der Zielgruppe einen Dienst und zeichnet sich dadurch aus.»

Notiert: Ursula Ammann