Die Bedeutung von Wasserstoff als Energieträger nimmt stetig zu. Das weltweit verfügbare Element, das in seiner chemischen Struktur an eine Hantel erinnert, stärkt nicht nur die umweltfreundliche Mobilität. Auch eine langfristige Speicherung und zeitversetzte Nutzung überschüssigen Stroms ist dadurch möglich. Um die künftige Nachfrage nach grünem Wasserstoff zu decken, braucht es jedoch einen massiven Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung sowie Investitionen in die Infrastruktur.
Er ist unsichtbar, geruchlos, 14-mal leichter als Luft und verursacht beim Verbrennen keine CO2-Emissionen: Die Rede ist von Wasserstoff (H2). Als häufigstes chemisches Element des Universums kommt er nahezu überall vor. Hinter Wasserstoff verbirgt sich ein grosses Potenzial, denn er kann als Energieträger einen Beitrag dazu leisten, von fossilen Brenn- und Treibstoffen wegzukommen und das Energiesystem nachhaltiger zu gestalten. Zum Einsatz kommt Wasserstoff zum Beispiel im Bereich der Mobilität. Aber auch erste Anwendungen im Gebäudesektor sind realisiert. So befindet sich in Brütten nahe Winterthur ein energieautarkes Mehrfamilienhaus, das weder ans öffentliche Stromnetz angeschlossen ist noch Erdöl oder Erdgas benötigt. Herzstück des Hauses ist ein Langzeitspeicher. Dieser wandelt die überschüssige Energie, die die Solarzellen auf dem Dach und an den Fassaden in den sonnigen Monaten generieren, mittels Elektrolyse in Wasserstoff um. Über eine Brennstoffzelle kann in der sonnenärmeren Jahreszeit aus diesem Wasserstoff wieder Strom produziert werden.
Wasserstofffahrzeuge nehmen Fahrt auf
«Der Bund geht in seinen Energieperspektiven 2050+ von einem Ausbau der lokalen Wasserstoffproduktion und einer Zunahme des Imports aus», sagt Markus Friedl, Professor für Fluid- und Thermodynamik an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Er leitet das IET Institut für Energietechnik, das als Forschungs- und Entwicklungspartner im Bereich Energie agiert. Ein aktuelles Projekt des IET besteht darin, eine Schweizer Wasserstofftankstelle zu entwickeln, der sich durch höchste Qualität bei gleichzeitig niedrigen Investitionsausgaben auszeichnet. Der Prototyp wird noch in diesem Jahr in Rapperswil aufgestellt.
«Der Bund geht in seinen Energieperspektiven 2050+ von einem Ausbau der lokalen Wasserstoffproduktion und einer Zunahme des Imports aus.»
Prof. Dr. Markus Friedl, Professor für Fluid- und Thermodynamik an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, Leiter IET Institut für Energietechnik,
Derzeit gibt es in der Schweiz rund ein Dutzend Tankstellen mit H2-Zapfsäulen. Die Infrastruktur sei jedoch noch wenig ausgebaut, sagt Markus Friedl. Auch kommen die Tankstellen von ausländischen Lieferanten. «Die Schweiz hat diesbezüglich noch Aufholbedarf.» Einzelne Projekte gibt es aber. So wird beim Alpiq Laufwasserkraftwerk in Gösgen Wasserstoff produziert. Und vor einem Jahr legten die St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke und die Avia Osterwalder den Grundstein für die Ostschweizer Wasserstoffproduktion.
Aktuell verkehren hierzulande 50 mit Wasserstoff betriebene Lastwagen. Aber es dürften mehr werden. Hyundai Hydrogen Mobility und H2energy wollen bis 2025 etwa 1600 Wasserstoff-LKWs in den Schweizer Schwerlastverkehr einführen. Die Fahrzeuge enthalten eine Brennstoffzelle, die Wasserstoff in Strom umwandelt. Der Strom wiederum treibt einen Elektromotor an. Bereits heute sind auch erste Personenwagen mit entsprechender Technologie als Serienprodukte auf dem Markt erhältlich.
Genau wie batterieelektrische Autos erzeugen wasserstoffbetriebene Fahrzeuge lokal kein CO2. «Als Abgas entweicht reines Wasser», sagt Markus Friedl. Allerdings seien Elektroautos in Bezug auf ihren Wirkungsgrad überlegen. «Studien zufolge weisen sie gegenüber Wasserstoff-Fahrzeugen eine zwei Mal höhere Effizienz aus.» Mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge punkten dafür mit einer höheren Reichweite und kürzeren Betankungszeiten. Ausserdem lässt sich Wasserstoff über längere Zeiträume speichern. Deshalb muss die Produktion und Verteilung dieses Treibstoffs nicht zeitgleich mit dem Verbrauch erfolgen.
Überschüssige Energie speichern
Bezüglich der Herstellung von Wasserstoff existieren unterschiedliche Möglichkeiten: Das Element lässt sich beispielsweise aus Biomasse oder aus fossilen Brennstoffen wie etwa Erdgas und Kohle gewinnen. Als sauberste Methode hat sich jedoch die Elektrolyse bewährt. Dabei wird Wasser mithilfe von elektrischem Strom aufgespaltet, wobei neben Sauerstoff auch Wasserstoff entsteht. Wie umweltfreundlich Letzterer ist, hängt davon ab, woher der für den Prozess verwendete Strom stammt. Wird dieser durch erneuerbare Energieträger wie Photovoltaik- oder Windanlagen generiert, spricht man beim Endprodukt von «grünem Wasserstoff».
In erster Linie gelte es, den Strom aus erneuerbaren Quellen direkt zu nutzen, weil so keine Energie durch Umwandlungsprozesse verloren gehe, sagt Markus Friedl. Falle aber beispielsweise Solarstrom im Übermass an – wie in den Sommermonaten üblich –, mache es Sinn, mittels Elektrolyse Wasserstoff zu produzieren und zu speichern. «Dieser kann bei Bedarf wieder in Strom und Wärme umgewandelt werden», so der Professor.
Grüner Wasserstoff ist somit in der Lage, fossile Brenn- und Treibstoffe zu ersetzen. Er stellt deshalb einen wichtigen Baustein zur Erreichung der Klimaziele dar. «Angesichts der steigenden Nachfrage müssen die erneuerbaren Energieträger jedoch massiv ausgebaut werden, um den Wasserstoff nachhaltig produzieren zu können», sagt Markus Friedl. Zudem bedürfe es einer nationalen Wasserstoffinfrastruktur. Mit der Entwicklung einer Schweizer Wasserstofftankstelle leistet sein Institut bereits einen Beitrag dazu.
Seminar zum Thema Wasserstoff
Wasserstoff ermöglicht, erneuerbare Energie saisonal zu speichern und bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Das Seminar «Wasserstoff – Aktuelles Wissen aus Praxis und Forschung» vermittelt wertvolles Know-how zu diesem chemischen Energieträger. Die Teilnehmenden erfahren Näheres zur Rolle von Wasserstoff im aktuellen und im zukünftigen Energiesystem. Zudem befassen sie sich mit Produktions- und Speichertechnologien sowie mit dem Transport und der Verwendung dieses Energieträgers. Auch auf Themen wie Gesetzgebung und Bewilligungsverfahren geht das Seminar ein.
Dieser Beitrag basiert auf einem Webinar aus der Reihe «Klüger am Abend» der Weiterbildung OST.