Wo das Wasser sprudelt

6. Oktober 2022

Im Schweizer Alpenraum wird die Trinkwasserversorgung durch eine grosse Anzahl von Wasserquellen gewährleistet. Doch um zu wissen, wann und wo welche Wassermengen zur Verfügung stehen, bräuchte es eine ganzjährige Überwachung der Abflüsse. Diese ist aber sehr teuer. Im Rahmen des Projekts «WABEsense» wurden die Grundlagen geschaffen, um Abflüsse zu simulieren und damit den Wasserhaushalt zu optimieren.

Von Zoe Stadler

Um die Trinkwasserversorgung in den Alpenräumen sicherzustellen, wäre eine ganzjährige Überwachung der Abflüsse von alpinen Quellen für Gemeinden und Wasserversorger eine hilfreiche Lösung. Traditionsgemäss besucht heutzutage die Brunnenmeisterin oder der Brunnenmeister nur wenige Male pro Jahr die Brunnenstuben in seinem Einflussbereich für die Kontrolle und Reinigung. Dabei misst sie oder er manuell die Abflussrate jeder Quelle. Die Messung ist nur punktuell und lässt keine Aussage über den Jahresverlauf zu – man ging bis heute davon aus, dass die Quelle relativ konstant Wasser liefert. Kontinuierliche Langzeitmessungen sind heute nur spärlich vorhanden und meist (zu) teuer. In Zusammenarbeit mit Uli Lippuner AG in Sargans erarbeitete das Institut für Energietechnik (IET) der OST – Ostschweizer Fachhochschule Lösungen, um die Abflussaufzeichnungen und Langzeitmessungen bei jeder Quellfassung kostengünstig und einfach zu ermöglichen.

Dafür wurde im Projekt «WABEsense» eine Kombination aus Hard- und Software entwickelt, welche eine automatische Messung von Temperatur und Wassersäule bei der Quellfassung ermöglicht. Das Gerät arbeitet autonom im Batteriebetrieb und benötigt keine Stromversorgung – ein wichtiges Feature angesichts der Zugänglichkeit einzelner Quellen weit weg in den Bündner Bergen.

Gleichzeitig kann die Anwendung der entwickelten Technologie für möglichst viele Brunnenstuben bereitgestellt werden, um damit ein schweizweit flächendeckendes Monitoring zu ermöglichen. Vereinfacht wird dies dadurch, dass es sich um eine «Open Hardware» handelt. Das bedeutet, dass die Baupläne öffentlich zugänglich sind, so dass alle die Hardware selber herstellen oder auch verkaufen können.

Bessere Voraussagen über Wasservorkommen möglich

Aus Daten der Quellfassungen wird mit numerischen Strömungssimulationen (Computational Fluid Dynamics, CFD) die Abflusskurve berechnet. Diese Simulation ist ein computerbasiertes Modell des Wasserflusses an der Quelle. Es ermöglicht eine genaue Analyse der variierenden Wassermengen und bildet die Grundlage für eine Visualisierung, welche den Gemeinden und Wasserversorgern zur Verfügung steht.

Berechnung einer Abflusskurve mittels numerischer Strömungssimulation und Darstellung der Ergebnisse aus den Feldmessungen

Mit dem Projekt soll das Wissen über den Wasserhaushalt von Quellen im Alpenraum erweitert werden, wie beispielsweise das Ausmass von saisonalen Schwankungen, oder die Auswirkungen des Klimawandels. Gleichzeitig verbessert es Voraussagen über das Wasservorkommen. Sowohl die Datenerfassung als auch die Visualisierungen sind cloudbasiert. Dadurch können die Wasserquellen in Echtzeit überwacht und in die Planung der Trinkwasserversorgung eingebaut werden.

Mit der beschriebenen Lösung wurden Daten von über einem Jahr aus mehreren Quellen erfasst. Dies ermöglicht die Identifikation dynamischer Eigenschaften der Quelle, wie zum Beispiel grosse Wassermengen nach einem starken Regenfall, Temperaturschwankungen oder der Einfluss der Schneeschmelze. Das wiederum macht eine Optimierung bei der Dimensionierung der Fassungen möglich. Durch das Open-Source-Softwaretool zur Erstellung von CFD-basierten Abflusskurven wird der Arbeitsablauf, von der Grundlagenbeschaffung bis zum Einsatz, automatisiert.


Organisation der Messdaten von der Erfassung bis zur webbasierten Auswertung und Darstellung

Dass das Projekt nicht nur auf Papier und im Prototyp besteht, zeigen die inzwischen fünfzehn installierten WABEsense-Sensoren. Sie sind dabei an verschiedenen Orten in der Schweiz verteilt und beispielsweise in Bonaduz, Zernez, Hergiswil und Zug anzutreffen.

Weiterbildung in Computational Fluid Dynamics

Strömungssimulation ist weit mehr als die Bedienung von Simulationssoftware. Fachleute müssen mit den physikalischen Gesetzen und Modellen, auf denen die Software aufbaut, vertraut sein. Zudem braucht es Wissen darüber, wie diese Gesetze mittels numerischer Methoden durch den Computer gelöst werden können. Nur so gelingt es, mögliche Fehlerquellen im Prozess richtig zu erkennen und die Qualität der Simulationsresultate sicherzustellen. Der CAS «Computational Fluid Dynamics» an der OST – Ostschweizer Fachhochschule vermittelt Fachpersonen ein umfassendes Wissen für die erfolgreiche Anwendung von Strömungssimulation – wissenschaftlich fundiert und praxisorientiert.