Innovation beginnt auf der «grünen Wiese»

12. Juni 2025

Verschiedene Menschen an einen Tisch bringen, alte Denkmuster aufbrechen und in Experimenten aufzeigen, wie die Zukunft aussehen könnte: Das macht das IDEE Institut für Innovation, Design und Engineering der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Es unterstützt Unternehmen und Organisationen dabei, innovative und tragfähige Lösungen auf unterschiedlichste Herausforderungen zu finden – sei es im Zusammenhang mit postnataler Depression, Cannabiskonsum oder Klimawandel. Teil des interdisziplinären Teams ist Co-Institutsleiter Lukas Schmid. Der Physiker mit Doktortitel in Ökonomie ist neu auch Studienleiter des MAS Sustainable Innovation, wo Fachkräfte aus unterschiedlichen Branchen lernen, in ihrem Unternehmen einen guten Nährboden für nachhaltige Innovation zu schaffen.

Wie können Unternehmen die Anzeichen einer postnatalen Depression bei ihren Mitarbeitenden frühzeitig erkennen und die Betroffenen in der sensiblen Übergangsphase zur Elternschaft besser unterstützen? Was würde eine legale Cannabisabgabe in der Stadt St. Gallen bewirken? Wie kann der CO2-Ausstoss bei der Mobilität im Baugewerbe verringert werden? Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigt sich das IDEE Institut für Innovation, Design und Engineering der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Das interdisziplinäre IDEE-Team begleitet Unternehmen und Organisationen bei unterschiedlichsten Innovationsvorhaben. «Das Ziel besteht unabhängig vom Thema darin, eine neuartige Lösung zu finden, die auf ein wahres Bedürfnis trifft und sich dabei auch im sozialen und ökologischen Sinn positiv auf die Gesellschaft auswirkt», sagt Lukas Schmid, Co-Institutsleiter.

Bisherige Annahmen mit Neugier und Offenheit hinterfragen

Lukas Schmid hat ursprünglich Physik an der ETH studiert. Danach zog es ihn an die FHS St.Gallen – eine Vorgängerinstitution der OST – wo er als Projektleiter und Dozent für Modellbildung und Simulation mit mathematischen Modellen experimentierte. Eine seiner Aufgaben bestand darin, Prozesse mithilfe neuronaler Netzwerke zu optimieren.

«Bestehendes zu verbessern, war spannend», resümiert der 45-Jährige, der parallel zur damaligen Tätigkeit ein Doktorat in Ökonomie an der HSG absolvierte. «Aber irgendwann hat es mich mehr gereizt, etwas völlig Neues zu schaffen.» Heute ist die disruptive Innovation sein Metier. Mit disruptiver Innovation bezeichnet man radikale Neuerungen, die alte Strukturen aufzubrechen vermögen und das Potenzial haben, auch auf andere Bereiche übertragen werden zu können.   

«Letztlich geht es uns als Methodenpartner mehr um den Prozess, die Menschen zu sensibilisieren, zu informieren und ihre Akzeptanz für eine Idee zu gewinnen, als diese Idee technisch umzusetzen.»

Lukas Schmid
Studienleiter MAS Sustainable Innovation

Bei seiner Karriere sei er keinem Masterplan gefolgt, sondern hauptsächlich seinem Bauchgefühl, sagt Lukas Schmid. Physik und Innovation mögen auf den ersten Blick sehr unterschiedlich erscheinen – die eine als Naturwissenschaft, die andere als praktischer Prozess zur Entwicklung neuer Ideen. Doch bei genauerem Hinsehen gebe es viele Parallelen. «In beiden Disziplinen geht es darum, Systeme zu analysieren und zu verstehen, Experimente zu wagen und bestehende Annahmen mit Neugier und Offenheit zu hinterfragen.»

Akzeptanz gewinnen ist herausfordernder als technische Umsetzung

Das Team des IDEE war schon in über 200 Innovationsprojekte involviert. Ziel sei es jeweils nicht, anderen die eigenen Ideen aufzudrücken, hält Lukas Schmid fest. «Vielmehr bringen wir die verschiedenen Anspruchsgruppen an einen Tisch und motivieren sie dazu, den gewohnten Denkrahmen zu verlassen und das Unmögliche zu denken. Dabei nehmen wir eine neutrale Haltung ein und versuchen, uns mit den Beteiligten ‘auf der grünen Wiese’ zu treffen und fernab aller bisherigen Erfahrungen und Überzeugungen neue Ideen zu generieren.» Das sei nicht immer einfach. «Bei unserem Gegenüber handelt es sich um Expertinnen und Experten ihres Gebiets, die durch ihren grossen Erfahrungsrucksack oftmals eine feste Überzeugung davon haben, was funktioniert und was nicht.» Einen gewissen Widerstand gegenüber dem Neuen spüre man deshalb immer.

«Diesen Widerstand können wir aber abbauen, indem wir mit Experimenten Erfolgserlebnisse schaffen», fügt Lukas Schmid an. Zu sehen, dass eine Idee im Kleinen funktioniere, verringere die Angst vor dem Unbekannten und stärke das Vertrauen und die Motivation der Beteiligten. «Letztlich geht es uns als Methodenpartner mehr um den Prozess, die Menschen zu sensibilisieren, zu informieren und ihre Akzeptanz für eine Idee zu gewinnen, als diese Idee technisch umzusetzen.»

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit dem Lifthersteller Schindler und der Emil Egger AG ging es beispielsweise darum, den CO2-Ausstoss bei der Mobilität der Mitarbeitenden zu reduzieren. Dies sollte erreicht werden, indem die Monteurinnen und Monteure nicht mehr jeden Weg zur Baustelle mit dem voll beladenen Dieselbus zurücklegen. Aufgabe des IDEE war es, ein methodisches Setting zu schaffen, das alle Beteiligten berücksichtigt und die gemeinsame Ideenfindung fördert. So konnten auch die Monteurinnen und Monteure ihre Perspektive einbringen und Impulse geben. «Wenn die Leute die Chance haben, an der Lösung mitzuwirken, dann hat eine Innovation viel mehr Bestand, als wenn ein Unternehmen einfach von oben herab etwas anordnet», sagt Lukas Schmid.

Die tiefhängenden Früchte sind geerntet

Nachhaltige Innovationsprozesse initiieren, begleiten und von A bis Z erfolgreich umsetzen: Diese Fähigkeit entwickeln die Teilnehmenden im MAS Sustainable Innovation an der OST. Lukas Schmid leitet dieses Studienprogramm. «In Unternehmen und Organisationen gewinnt dieses Know-how zunehmend an Bedeutung», sagt er. Denn mittlerweile seien die tiefhängenden Früchte – die einfachen, schnellen Nachhaltigkeitsmassnahmen, die ohne grossen Aufwand umgesetzt werden konnten – bereits geerntet. Gleichzeitig reiche es auch nicht mehr, sich nur oberflächlich als nachhaltig zu präsentieren. Greenwashing gehöre definitiv der Vergangenheit an. «Gefragt sind heute tiefgreifenden Veränderungen, die eine tatsächliche Wirkung auf ökonomischer, ökologischer und sozialer Ebene entfalten.»

MAS Sustainable Innovation

Die Fähigkeit, Innovationen von der ersten Inspiration bis zur konkreten Markteinführung zu realisieren, ist für Unternehmen und Organisationen zentral. Der MAS Sustainable Innovation beleuchtet das Feld der Innovation aus gesamtheitlicher Perspektive und stellt den Transfer des Erlernten zur Praxis her. Er vermittelt die Kompetenz, Projekte von der Visionsphase bis zur erfolgreichen Umsetzung am Markt zu begleiten.