Tschüss Gedankenballast, hallo Kreativität

24. März 2021

Von Ursula Ammann

Es ist Fastenzeit. Die einen verzichten komplett auf feste Nahrung, andere auf Fleisch und wieder andere auf Süssigkeiten. Ebenso individuell wie die Formen des Fastens sind die Motive dafür: Man tut es beispielsweise aus religiösen oder ökologischen Gründen, aber sehr oft auch aus gesundheitlichen. Dabei sind «entschlacken» und «entgiften» häufig genannte Begriffe. Wissenschaftlich gesehen sind diese so unbelegt wie eine trockene Scheibe Toast. Doch abgesehen davon: Warum versuchen wir nicht einmal, unseren Geist von nutzlosem Ballast zu befreien? Mit den folgenden Methoden und Techniken kann es gelingen. Ziel ist es, mehr Platz für Produktivität und Kreativität zu schaffen.

#1 | «Morgenseiten» verfassen

Kreativer und gelassener werden durch eine kurze morgendliche Schreibroutine: Diese Idee steckt hinter den sogenannten «Morning Pages» nach Julia Cameron. Sprachstil, Orthografiekenntnisse und Schönschrift spielen dabei keinerlei Rolle. Vielmehr geht es darum, den eigenen, oft unbewusst ablaufenden Gedankenfluss festzuhalten. In den Morgenseiten darf man alles zu Papier bringen, was einen gerade beschäftigt – auch scheinbare Banalitäten. Zum Beispiel: «Das Treppenhaus ist immer noch nicht geputzt», «Mein linker kleiner Zeh schmerzt schon wieder» oder «Ich weiss nicht, was ich schreiben soll, weil ich mich so leer fühle». Das Ziel besteht auch darin, dass gedankliche «Störenfriede» während des Tages Ruhe geben, indem man ihnen morgens eine «Sprechstunde» von rund 30 Minuten einräumt. 

Wichtig ist, dass Sie die Morgenseiten handschriftlich und zügig verfassen – auf mindestens drei A4-Seiten. Schalten Sie dabei Ihren inneren Zensor aus. Schreiben Sie einfach ungefiltert darauf los. Das Geschriebene muss keinem bestimmten inhaltlichen Aufbau folgen und schon gar keinen Sinn ergeben.

#2 | Not-to-do-Liste führen

To-do-Listen gehören für viele zu einem wichtigen «To Do» – ob im Arbeitsalltag oder im Privatleben. Vorlagen, Programme und Apps für diese -Erinnerungsstützen gibt es in Hülle und Fülle. Weitaus weniger bekannt sind die Not-to-do-Listen. Darin schreibt man auf, womit man in Zukunft keine Zeit mehr vergeuden will. Zum Beispiel mit alten Gewohnheiten, die nicht wirklich glücklich machen, die aber auf ein ganzes Leben gesehen einige Stunden fressen.

Eine Not-to-do-Liste könnte beispielsweise folgendermassen beginnen: «Ich gratuliere nicht mehr jeder Facebook-Bekanntschaft zum Geburtstag» oder «Ich bügle keine Socken mehr».  Mit dem Niederschreiben löst man sich von den Gedanken an solche scheinbaren Pflichten und ist frei für anderes.

#3 | Tagebuch schreiben

Der irische Schriftsteller Oscar Wilde soll einst gesagt haben: «Ich reise niemals ohne mein Tagebuch, denn man sollte immer etwas Aufregendes zu lesen bei sich haben.» Tagebücher bieten eine gute Möglichkeit, besondere Erlebnisse festzuhalten, um sich auch später noch im Detail daran erinnern zu können. Sie helfen aber auch dabei, belastende Gedanken «auszusprechen» und zu entwirren. Im Idealfall lassen Frust und Ärger nach und verlieren Sorgen und Ängste ihre Bedrohlichkeit.

Durch das Abwerfen von Seelenkrempel entsteht im Kopf mehr Raum für positive Emotionen und Kreativität. Auch beim Tagebuch gilt: Auf Sprachstil und Rechtschreibung kommt es nicht an. Es sei denn, Sie wollen Ihre Einträge später als Memoiren veröffentlichen, um damit Geschichte zu schreiben.

#4 | Aufräumen

Der Mythos vom zerstreuten Professor, der nur in einer unordentlichen Umgebung klar denken kann, hält sich hartnäckig. «Das Genie beherrscht das Chaos», heisst es. Es mag zwar zutreffen, dass manch ein kreativer und genialer Kopf auch chaotisch ist. Das heisst im Umkehrschluss aber nicht, dass Chaos und Unordnung Genialität und Kreativität fördern. Im Gegenteil: Scheinbare Kleinigkeiten wie ein Pullover auf dem Boden oder eine dreckige Kaffeetasse im Bad können uns im Vorbeigehen jedes Mal unterbewusst irritieren. So überträgt sich die physische Unordnung in gewisser Weise auf unseren Geist und raubt uns Energie. Fühlt man sich gedanklich diffus und weiss nicht warum, hilft aufräumen . Es muss nicht zu einem Wohnungs- oder Hausputz ausarten.

Stellen sie einen Timer auf fünf Minuten. In dieser Zeit versuchen Sie bestmöglich klar Schiff zu machen. Sie können sich dabei auch vorstellen, dass gleich jemand zu Besuch kommt. Nach Ablauf dieser fünf Minuten werden sie erstaunt sein, wie viel sich in kurzer Zeit erledigen lässt und wie aufgeräumt man sich danach fühlt. 

#5 | Ab in den Flow

Achtsamkeits- und Meditationsübungen sind hoch im Kurs. Davon zeugen unzählige Videos auf YouTube oder Podcasts auf Spotify. Es gibt jedoch eine ganze Reihe meditativer Tätigkeiten, die nicht explizit als solche gelten, aber genauso helfen, stressvolle Gedanken loszulassen und ganz im Moment zu leben. Stricken zum Beispiel. Mehrere Studien weisen auf die positiven Effekte dieser Handarbeit hin. Unter anderem sagen Forscher, dass Stricken durch die gleichförmigen Abläufe ähnliche Entspannungszustände hervorrufe wie Meditation und Yoga.

Doch auch Tätigkeiten wie Puzzlen, Malen, Zeichnen, Gärtnern, Töpfern oder Musizieren können uns in einen Flow versetzen und sich somit positiv auf unseren Gemütszustand auswirken. 

Es ist also ratsam, den Alltag mit solchen Tätigkeiten zu bereichern. Ganz nebenbei entstehen sogar selbstgemachte Unikate, auf die man nachher stolz sein kann: ob ein Schal, eine Vase oder ein Bild.