Wer am Steuerrad der eigenen Gedankenwelt ist, navigiert leichter

3. Februar 2022

Die eigenen Stärken kennen und auf sie vertrauen. Sich Ziele setzen und diese nachhaltig verfolgen. Sich selbst motivieren und Hindernisse überwinden: Das und vieles mehr ist Teil der Selbstführung, die nachweislich zu den wichtigsten Kompetenzen der Zukunft zählt. Was zunächst schwierig klingt, lässt sich dank einiger Kniffs und Techniken erlernen.

«Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.» Das sagte der Philosoph Aristoteles vor über 2000 Jahren. Heute ist dieser Gedanke aktueller denn je. Denn im Zeitalter der Digitalisierung und Globalisierung wechselt der Wind oft schnell. Unternehmen agieren in einem Umfeld grosser Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz. Entscheidungen zu treffen, gleicht dem Fahren auf Sicht, weil deren Auswirkungen schwierig abzuschätzen sind. Nicht zuletzt deshalb bauen immer mehr Betriebe Hierarchien und damit lange Entscheidungswege ab und setzen auf selbstorganisierte Teams. Das fordert wiederum die Mitarbeitenden heraus. Sie finden nur noch wenige Strukturen vor, an denen sie sich orientieren können, und sind häufig auf sich selbst zurückgeworfen.

Vernetzung, Offenheit, Partizipation, Agilität

Nicole Bischof ist Professorin für Organisation und Leadership an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Sie beschäftigt sich unter anderem intensiv mit dem Thema Selbstführung. «In unsicheren Zeiten kann die Selbstführung eine Art Navigator sein», sagt sie. Doch wie gelingt es, sich selbst zu organisieren und zu führen? Eine Möglichkeit sei, sich stärker zu vernetzen, erklärt die Expertin. Es lohne sich zum Beispiel, komplexe Themen mit anderen Personen zu besprechen – ob mit Arbeitskolleginnen und -kollegen, Freunden oder Familienmitgliedern. «Denn durch das Mehraugenprinzip kommt viel eher zum Vorschein, ob es an einer Sache vielleicht noch einen Haken gibt.»

«Eine proaktive und konstruktive Denkhaltung kann man üben. Genauso wie die Fähigkeit, bei einer möglichen Hürde nicht gleich zu verzagen.»

Prof. Dr. Nicole Bischof, Professorin für Organisation und Leadership

Zudem rät Nicole Bischof zu mehr Offenheit. Etwa, indem man sich mit neuen Ansätzen auseinandersetzt und Entscheidungen einmal ganz unkonventionell denkt. Auch sei es hilfreich, an Veranstaltungen teilzunehmen oder sich Fachgruppen anzuschliessen. «Ein bisschen mehr Experimentiersinn in diesem Bereich wirkt sich positiv aus», sagt die Professorin. Darüber hinaus könne man versuchen, sich eine gewisse Agilität anzugewöhnen und Dinge flexibel zu betrachten. Ganz zentral bei alledem sei das Vertrauen in andere, aber auch in sich selbst. Das bedeute, sich seiner Fähigkeiten bewusst zu sein und sich auf diese zu verlassen.

Mit sich selbst und anderen über die eigenen Ziele sprechen

Aus einer Studie der TH Köln ist hervorgegangen, dass Selbstmanagement eine der meistgefragten Kompetenzen ist, um in der Arbeitswelt der Zukunft bestehen zu können. Es umfasst unter anderem die Fähigkeit zur Selbstorganisation und Selbstreflexion sowie eine gewisse Resilienz, die dabei hilft, mit Rückschlägen umzugehen. Die Selbstführung, auch Selfleadership genannt, ist eine Erweiterung des Selbstmanagement-Ansatzes. Sie wird unter anderem als zielorientierter und selbstbeeinflussender Prozess zur Steigerung der persönlichen Effektivität und Leistung verstanden. Es geht darum, die inneren, eigenen gedanklichen Prozesse positiv zu steuern und dadurch zu einer «Yes, I can»-Haltung zu finden. «Das bedingt, dass man die eigenen Stärken kennt und sich darauf fokussiert», erklärt Nicole Bischof. Um langfristig bei diesem Mindset zu bleiben, helfe es, sich selbst zu beobachten und allfällige Denkmuster, mit denen man sich immer wieder blockiere, bewusst wahrzunehmen und zu beseitigen. Sinnvoll sei auch, sich selbst an die eigenen Ziele und Vorhaben zu erinnern – zum Beispiel in Selbstgesprächen oder mittels Tagebucheinträgen –, aber auch das Umfeld darüber zu informieren. «Das schafft im Idealfall einen kleinen positiven Druck, das Vorgenommene auch umzusetzen.»

Strategische Selbstzielsetzung mit der WOOP-Methode

Um persönliche Ziele zu formulieren und zu erreichen, gibt es verschiedene Techniken. Darunter die WOOP-Methode. Die vier Buchstaben der Abkürzung WOOP stehen für Wish (Wunsch), Outcome (Ergebnis), Obstacle (Hindernis) und Plan (Plan). Zu Beginn überlegt man sich, was man gerne machen oder erreichen will und formuliert ein entsprechendes Ziel bzw. einen Wunsch. Danach geht es darum, sich vorzustellen, wie es sich anfühlt, am Ziel angekommen zu sein. «Hierbei darf man sich ruhig konkret ausmalen, wie und mit wem man seinen Erfolg feiert», erklärt Nicole Bischof. Die WOOP-Methode umfasst allerdings auch die Visualisierung von Hindernissen – das können mitunter Selbstzweifel, Ängste oder schlechte Angewohnheiten sein. Abschliessend gilt es, einen Plan zu machen, wie diese Hindernisse überwunden werden können. «Eine proaktive und konstruktive Denkhaltung kann man üben», so die Expertin. «Genauso wie die Fähigkeit, bei einer möglichen Hürde nicht gleich zu verzagen.»

Gut für die eigene Widerstandsfähigkeit und Gesundheit

«Effektives Selfleadership ist nicht zuletzt auch eine wichtige Grundlage, um andere zu führen», sagt Nicole Bischof. Aber ebenso zentral sei es für die eigene Widerstandsfähigkeit und Gesundheit. «Der Fokus auf das, was einem wirklich wichtig ist, hilft dabei, eine Sache auch mal zu delegieren oder gegebenenfalls in den Papierkorb zu werfen.»

Selbstführung orientiere sich immer an Zielen, sagt die Professorin. «Sie sind die Voraussetzung dafür, überhaupt etwas zu verändern.» Die Höhe des Ziels sei dabei aber nicht entscheidend. Ihr Rat: «Klein anfangen, aber anfangen.»

Dieser Beitrag basiert auf einem Webinar aus der Webinarreihe «Klüger am Abend» der Weiterbildung OST.

CAS New Leadership in Team- und Selbstführung

Die OST – Ostschweizer Fachhochschule bietet neu den CAS New Leadership in Team- und Selbstführung an. Diese berufsbegleitende Weiterbildung beleuchtet unter anderem verschiedene theoriebasierte Vorgehensweisen zur Selbstführung und ermöglicht deren individuelle Zusammenstellung entlang der eigenen beruflichen Bedürfnisse. Ziel ist es, eine Synthese von Forschungswissen bereitzustellen, aus der die Teilnehmenden wie aus einem Setzkasten auswählen und ihre eigene Herangehensweise entwickeln können.