Achtsam begleiten bis ans Lebensende

19. Januar 2023

Das Hospiz Graubünden in Maienfeld ist das einzige seiner Art im Kanton. Es wurde Anfang 2019 als dreijähriges Pilotprojekt eröffnet. Im Rahmen eines Evaluationsprojekts, das von den Instituten für Angewandte Pflegewissenschaft IPW und für Soziale Arbeit und Räume IFSAR der OST – Ostschweizer Fachhochschule durchgeführt wurde, konnte der Bedarf des Hospizes in dieser Region klar bestätigt werden. Kürzlich hat die Regierung die definitive Weiterführung des Hospizes am 01.01.2023 genehmigt.

Von Eleonore Baum

Hospize bieten schwerkranken und sterbenden Menschen unabhängig von Alter oder Diagnose einen Ort, um das Lebensende in Würde verbringen zu können. In der Schweiz sind in den vergangenen Jahren einige Hospize eröffnet worden. Eines davon ist das Hospiz Graubünden in Maienfeld, das am 4. Januar 2019 seinen Betrieb – mit einer Pilotphase bis 2021 – aufgenommen hat. Es ist das einzige Angebot dieser Art im Kanton Graubünden. Die vier Betten, die zum Hospiz gehören, befinden sich im dritten Stock des Pflegezentrums Senesca.

Das kantonale Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit (DJSG) hat das Pilotprojekt finanziell unterstützt, mit der Option auf Verlängerung ab 2023. Massgebend für den positiven Entscheid der Weiterführung des Hospizes nach der Pilotphase und der Weiterentwicklung des Angebots war eine Evaluation, welche die Institute für Angewandte Pflegewissenschaft IPW und für Soziale Arbeit und Räume IFSAR der OST – Ostschweizer Fachhochschule durchführten.

Betreuungsintensiv und hochkomplex

Um das Angebot des Hospizes möglichst umfassend zu untersuchen, war es den Verantwortlichen der Studie wichtig, die unterschiedlichen Perspektiven der relevanten Stakeholderinnen und Stakeholder abzubilden. Dazu wurden Daten mit Hilfe von qualitativen und quantitativen Methoden erhoben und ausgewertet. Die Perspektive der Angebotsempfängerinnen und -empfänger wurde berücksichtigt, indem Pflegedokumentationen der Bewohnenden ausgewertet und Interviews mit nahen Angehörigen geführt wurden. Mittels wiederholter Befragungen von Leitungspersonen, des Pflegepersonals, von Therapeutinnen und der Seelsorge wurden die internen Prozesse und die Angebotsqualität erfasst. Die Zusammenarbeit mit anderen Diensten und der Aufnahmeprozess ins Hospiz konnten im Rahmen von Telefoninterviews mit den Zuweisenden rekonstruiert werden.

In den Interviews mit Angehörigen, Zuweisenden, dem Hospizpersonal sowie in den Daten aus den Pflegedokumentationen zeigte sich, dass in den meisten Situationen kein alternatives Angebot in der Region zur Verfügung stand. Eine Angehörige sagte dazu beispielsweise: «Es ist auch eine Erleichterung gewesen zu sagen, gut jetzt ist er da und die letzten Tage ist er da, und wir müssen nicht Angst haben, dass er in der Nacht allein ist.»

Aus den Pflegeunterlagen und den Gesprächen mit Angehörigen wurde zudem deutlich, wie komplex die Behandlung und wie intensiv sich die Betreuung der Bewohnenden gestaltet. Diese Aspekte erfordern eine hohe Fachlichkeit mit spezifischen Kompetenzen und weitere Ressourcen.

Mit Respekt und Würde

Die meisten Betroffenen, die sich während des Evaluationsprojekts im Hospiz Graubünden befanden, litten an einer Tumorerkrankung, gefolgt von neurologischen Erkrankungen. Häufige Symptome waren beispielsweise Schmerzen und Atemveränderungen oder Unruhe und Desorientiertheit. Weiter stellten sich psychische Probleme als herausfordernd dar, etwa Depressivität oder aggressives Verhalten. In diesen vulnerablen Situationen versuchte das Pflegepersonal die Würde der Bewohnenden zu bewahren, wie eine andere Angehörige eindrücklich schilderte: «Der Respekt, den sie ihm entgegenbrachten, auch als er wütend war, sich übergeben musste, blutete und Probleme hatte. Sie zeigten ihm Respekt und Würde. Er fühlte sich selbst nicht mehr wichtig. Er hatte keinen Wert mehr für sich. Und sie gaben ihm das zurück. Sie zeigten ihm, du bist noch etwas wert, du bist uns etwas wert und wir denken, dass du sehr wichtig bist.»

Das Hospiz Graubünden hat sich im Laufe der Projektphase in der Region etabliert, das zeigten auch die quantitativen Daten aus der Statistik der Bewohnenden. Vergleicht man die Herkunft der Eintretenden (Wohnsitz) über die Zeit, hat sich diese deutlich diversifiziert. Zudem lagen die Zuweisungen aus der Palliativstation in allen drei Jahren über 80 Prozent. Damit konnte das Ziel, die Akutspitäler zu entlasten, erreicht werden. Gleichzeitig entfaltete das Hospiz auch Potenzial, nicht-indizierte, kostspielige Spitaleinweisungen zu vermeiden, und es hat so die Möglichkeit, eine präventive Funktion gegenüber eskalierenden Krisen und Notfallsituationen zu erfüllen.

Bedarf für Hospiz bestätigt

Die Studie kommt zum Schluss, dass es für die unterschiedlichen Situationen in der Regel kein alternatives Angebot als das Hospiz gab. Manche Angehörigen stellten sich selbst die Frage, was sie ohne das Hospiz unternommen hätten. Wichtig ist, dass das Angebot für viele Menschen bis anhin weitgehend unbekannt war und es hier noch eine stärkere Verankerung bei den Fachpersonen und mehr Öffentlichkeitsarbeit braucht. Der Bedarf für das Hospiz Graubünden konnte anhand des Evaluationsprojekts nochmals klar bestätigt werden.

Themenschwerpunkt Palliative Care

Von der OST – Ostschweizer Fachhochschule waren Martin Müller vom Institut für Soziale Arbeit und Räume IFSAR sowie Eleonore Baum und Daniela Bernhardsgrütter vom Institut für Angewandte Pflegewissenschaft IPW am Projekt beteiligt. Die beiden Frauen engagieren sich gemeinsam mit Andrea Kobleder zum Thema Palliative Care Palliative Care in der Forschung und Lehre sowie im MAS in Palliative Care.