Digitale Unterstützung für die Imkerei

4. Mai 2023

Die Schweiz hat eine hohe Bienendichte. Über 165 000 Völker besiedeln das Land. Um deren Wohlergehen kümmern sich rund 17 500 Imkerinnen und Imker – die meisten davon nebenberuflich. Ihre Arbeit ist geprägt von besonderen Herausforderungen und Bedürfnissen. Drei Absolventen des MAS in Human Computer Interaction Design haben sich im Rahmen ihrer Masterarbeit vertieft damit auseinandergesetzt. Die Erkenntnisse daraus bilden den Grundstein für die benutzergerechte Optimierung und Weiterentwicklung einer bestehenden Bienenzucht-Management-App.

Die Imkerei ist ein traditionsreiches Handwerk, das seit Jahrtausenden besteht. Man assoziiert es in erster Linie mit Werkzeugen wie Schwarmkästen oder Honigschleudern und weniger mit einer App auf dem Smartphone. Doch auch in der Bienenzucht können digitale Anwendungen hilfreich sein. Vor diesem Hintergrund hat das schweizerische Jungunternehmen Vatorex die Hive Manager App entwickelt. Diese erlaubt es, Bienenvölker und deren Standorte zu verwalten und verschiedene Imkereiarbeiten zu protokollieren. Karl Badde, Zacharias Baur, und David Christen, Absolventen des MAS in Human Computer Interaction Design, haben in ihrer Masterarbeit die Basis dafür geschaffen, um diese App benutzergerecht zu optimieren und weiterzuentwickeln.

Das Bienenvolk besser verstehen

«Wir sahen es als reizvolle Herausforderung, die Akzeptanz eines solchen digitalen Systems auszuloten und den Nutzenden im traditionellen Umfeld der Imkerei effektive Unterstützung bei ihrer Tätigkeit zu bieten», sagt Zacharias Baur, einer der Autoren der Masterarbeit. Um mehr über die Bedürfnisse der Imkerinnen und Imker zu erfahren, hat das Projektteam mehrere Interviews durchgeführt. Dies sowohl mit Personen, die neu in die Bienenzucht eingestiegen sind als auch mit solchen, die bereits über Expertise verfügen.

Das Projektteam bei einer Kontextanalyse: Die Imkereiarbeiten werden beobachtet, um einen breiten Einblick in die Arbeitsabläufe, den Kontext und die Domäne zu erhalten.

Unabhängig ihrer Erfahrung hätten alle Befragten eine grosse Faszination für das Bienenvolk als Superorganismus gezeigt. «Wir spürten bei allen den Wunsch, diesen Superorganismus besser zu verstehen und sein Verhalten zu ergründen», so Baur. Ein Bienenvolk von 40 000 bis 80 000 Individuen könne gutmütig, aggressiv, faul oder tüchtig sein. Je nach Umwelteinflüssen, Klima und umgebender Vegetation variiere der Honigertrag, der Gesundheitszustand und der Charakter des Bienenvolks. Ein digitales System könne neben der Verwaltung von Standorten und Arbeitsprozessen dabei helfen, mehr über die eigenen Bienen zu lernen. Zudem diene es als Melde- und Warnsystem, falls ein Bienenvolk ausschwärme, und lasse kontextbezogene Prognosen zu. 

«Wir spürten bei allen Befragten den Wunsch, das Bienenvolk als Superorganismus besser zu verstehen und sein Verhalten zu ergründen

Zacharias Baur
Mitautor der Masterarbeit, Absolvent MAS in Human Computer Interaction Design

Bedienung im Schutzanzug kann schwierig sein

Die Mehrheit der befragten Imkerinnen und Imker zeigte sich offen für digitale Unterstützung. Durch den direkten Austausch mit ihnen konnte das Projektteam Erkenntnisse über Stolpersteine im Umgang mit einer Mobile-App sammeln. «So kann es beispielsweise schwierig sein, die App zu nutzen, während man einen Schutzanzug trägt und sich in der klebrigen Umgebung der Bienenbeute – das sind die Bienenkästen, die durch die Bienen mit Propolis zugeklebt werden – befindet», erklärt Zacharias Baur. Aus diesen und anderen Erkenntnissen resultierten Optimierungsempfehlungen für die bestehende Applikation. Eine davon lautet, die analoge Stockkarte, die zur Erfassung des Bienenvolks gebraucht wird, nicht zu digitalisieren. Diese soll aber so vereinfacht werden, dass sie sich mit einer Smartphone-Kamera einfach scannen lässt und die Inhalte später per App digitalisiert werden können. Mittels QR-Code auf der Stockkarte wird das richtige Bienenvolk zugewiesen. «Diese Idee begeistere die Imkerinnen und Imker», so Zacharias Baur. «Der grosse Anklang hat uns doch etwas überrascht.»

Nicht von eigenen Annahmen ausgehen

Das Projektteam entwickelte und validierte die Optimierungsvorschläge zusammen mit Imkerinnen und Imkern. Sie basieren somit auf deren konkreten Bedürfnissen und nicht auf Mutmassungen. Die Masterarbeit habe einmal mehr gezeigt, wie wichtig es sei, nicht von eigenen Annahmen auszugehen, sagt Zacharias Baur. «Erst durch ein tiefgreifendes Verständnis für die Nutzerinnen und Nutzer und ihre Bedürfnisse, können optimale nutzerzentrierte Lösungen entstehen.»

MAS in Human Computer Interaction Design

Damit technische Systeme wie Business-Software, Ticketautomaten oder chemische Analysegeräte am Markt erfolgreich werden können, müssen sie technische Anforderungen wie auch die Bedürfnisse der Benutzenden erfüllen. Dies gelingt nur, wenn in der Entwicklung der Systeme die gesamten Anforderungen vom Benutzungskontext bis hin zu kulturellen Faktoren berücksichtigt werden. Im MAS in Human Computer Interaction Design an der OST – Ostschweizer Fachhochschule gestalten die Teilnehmenden benutzerorientierte, interaktive Systeme und erarbeiten sich interdisziplinäre Fähigkeiten aus den Gebieten Informatik, Visual Design und Psychologie.