Den Berufsalltag aus einer anderen Flughöhe betrachten

15. Juni 2023

Wie in anderen Gesundheitsberufen besteht auch im Bereich der klinischen Psychotherapie und Psychiatrie Fachkräfte- und Ressourcenmangel. Die Arbeitslast ist hoch. Führungspersonen sind oft auf sich allein gestellt und haben wenig Möglichkeiten zum Austausch. Hier kann Supervision helfen, das eigene Handeln zu reflektieren und besser mit herausfordernden Situationen und Stress umzugehen.

Fachleute in den Bereichen Psychotherapie und Psychiatrie sind im klinischen Alltag mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Einerseits besteht eine hohe Nachfrage nach entsprechenden Diensten, andererseits herrschen Fachkräfte- und Ressourcenmangel. Ärztinnen und Ärzte in Kliniken erbringen zunehmend somatische und psychiatrische Leistungen, Psychologinnen und Psychologen übernehmen vermehrt psychotherapeutische oder ebenfalls psychiatrische Aufgaben. Zudem finden sich beide Berufsgruppen oft schon kurz nach dem Fachtitel in Führungspositionen wieder. «Dabei sind sie manchmal sehr auf sich allein gestellt und haben wenig Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen und das eigene Handeln zu reflektieren», sagt Barbara Ganz, Leiterin des Instituts für Ökologisch-systemische Therapie (IÖST) und Co-Kursleiterin im CAS Führung und Supervision im klinischen Alltag.

Supervision als Burnout-Prophylaxe

Supervision spielt im Bereich der klinischen Psychotherapie und Psychiatrie eine wichtige Rolle. Sie wird in der Regel von einer externen berufserfahrenen Person mit entsprechender Weiterbildung durchgeführt: entweder im Einzel- oder Teamsetting. Diese Form der Beratung hat allgemein zum Ziel, die Reflexion eigenen Handelns anzuregen und die Qualität der professionellen Arbeit zu sichern und zu verbessern. «Supervision hilft den Supervisandinnen und Supervisanden, ihren Blick auf eine schwierige Situation zu erweitern und sich neue Herangehensweisen und Sichtweisen zu erarbeiten», sagt Barbara Ganz. Ausserdem könne sie eine entlastende Wirkung bei Stress und hoher Problemlast entfalten und Unterstützung leisten, wenn es darum gehe, fachliche Fragen zu klären, Beziehungsfragen zu Klientinnen und Klienten zu beleuchten oder neue Möglichkeiten der Herangehensweise an Teams und Vorgesetzte aufzuzeigen.

«Supervision hilft den Supervisandinnen und Supervisanden, ihren Blick auf eine schwierige Situation zu erweitern und sich neue Herangehensweisen und Sichtweisen zu erarbeiten.»

Barbara Ganz
Leiterin des Instituts für Ökologisch-systemische Therapie (IÖST), Co-Kursleiterin CAS Führung und Supervision im klinischen Alltag.

«Auch vermag die Supervision, die innerpsychische Klarheit und das Gefühl der Sinnhaftigkeit der Arbeit weiterzuentwickeln», so die Psychologin. «Das alles reduziert die Stressbelastung und verbessert das Arbeitsklima im Team oder mit den Führungskräften.» Supervisorinnen und Supervisoren können den jungen Kolleginnen und Kollegen einen sorgsamen Umgang mit den eigenen Ressourcen und einen gestärkten Blick auf die Ressourcen des Gegenübers vermitteln. Zudem gilt es, deren Verständnis für die besonderen Herausforderungen des klinischen Alltags zu verbessern und zu erreichen, dass diese trotz hoher Arbeitslast die Freude am Beruf behalten.

Supervision ist auch für Personen in führenden Positionen wertvoll. «Zum Beispiel kann eine reflektierte Haltung im Umgang mit schwierigen Mitarbeitenden eine Führungskraft entlasten und ihren Horizont für die Möglichkeiten der Gestaltung ihrer Führungsaufgabe erweitern», sagt Barbara Ganz. «Dies führt zu mehr Freude an der Führung und schützt vor Burnout.»

Austausch auf Augenhöhe

Das IÖST bietet in Zusammenarbeit mit der OST – Ostschweizer Fachhochschule den CAS Führung und Supervision im klinischen Alltag an. Es handelt sich dabei um eine Supervisionsweiterbildung, die auch Führungsfragen im Auge hat. «Diese Kombination hat im klinischen Kontext hohe Relevanz», sagt Bernadette Ruhwinkel, Fachärztin und Co-Präsidentin des Trägervereins des IÖST. Ärztinnen und Ärzte sowie Psychologinnen und Psychologen in führenden oder ausbildenden Positionen werden in diesem Zertifikatskurs dazu befähigt, die Führungs- und Ausbildungsaufgaben im psychiatrischen und psychologischen Umfeld zu diversifizieren und zu professionalisieren. Angehende und bewährte Supervisorinnen und Supervisoren erwerben die Kompetenzen, um ihren Handlungsspielraum in diesem Aufgabenbereich zu erweitern.

«Unsere Teilnehmenden bringen viel Know-how mit und können dieses gemeinsam weiterentwickeln, hinterfragen und erweitern.»

Bernadette Ruhwinkel
Fachärztin und Co-Präsidentin des Trägervereins Instituts für Ökologisch-systemische Therapie (IÖST)

«Unsere Teilnehmenden bringen viel Know-how mit und können dieses gemeinsam weiterentwickeln, hinterfragen und erweitern», sagt Bernadette Ruhwinkel. Wichtig ist der Austausch auf Augenhöhe. «Nicht diejenige Person, die die Supervision durchführt, ist die Wissende, beziehungsweise jene, die sie empfängt, die Unwissende. Beide leisten einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Supervision und damit zu einem besseren Fallverständnis, einer Klärung der Fragestellung der Supervisandin oder des Supervisanden und eine Perspektivenvielfalt in der Supervisionsstunde.»

CAS Führung und Supervision im klinischen Alltag

Was wollen oder sollen Ausbildnerinnen und Ausbildner den jungen Kolleginnen und Kollegen weitergeben? Wie kann am besten vermittelt werden beispielsweise in Bezug auf Stimme, Auftritt und Methodik? Wie können Supervisionsgruppen gelingend geführt werden? Diese und weitere Fragen werden im CAS Führung und Supervision im klinischen Alltag behandelt. Die Weiterbildungsteilnehmenden erhalten in diesem Zertifikatskurs einen Methodenkoffer für die klinische Arbeit als Vorgesetzte, als Supervisorinnen und Supervisoren und als Lehrtherapeutinnen und Lehrtherapeuten.