Wie sich Städte und Gemeinden gegen Wetterextreme wappnen können

31. August 2023

Auf die Hitzewelle folgten Ende dieses Monats heftige Gewitter und Starkregen. Solche Wetterextreme nehmen durch den Klimawandel zu. Insbesondere im dicht bebauten Siedlungsraum sind die Konsequenzen deutlich spürbar. Denn die vielen versiegelten Flächen stauen einerseits Hitze und hindern andererseits Wassermassen am Versickern. Zudem fehlen Grünräume, die viele wichtige Funktionen übernehmen. Städte und Gemeinden müssen deshalb umdenken, um künftig besser mit Hitze, Trockenheit und Unwettern klarzukommen.

Die Wetterstation in Genf Cointrin hat am vergangenen Donnerstagnachmittag über 38 Grad gemessen und damit bisherige Temperaturrekorde in den Schatten gestellt. Doch auch in der Ostschweiz kletterte das Thermometer in der zweiten Augusthälfte während Tagen über 30 Grad. Solch starke und lange Hitzeperioden sind längst keine Seltenheit mehr. Laut den Prognosen werden sie aufgrund des Klimawandels künftig noch häufiger.

Die Bevölkerung in Städten und in der dicht bebauten Agglomeration bekommt die Hitze dabei stärker zu spüren als jene im ländlichen Raum. Denn die vielen versiegelten Flächen – Strassen, Plätze, aber auch die Gebäue selbst – speichern Wärme und geben sie nach und nach wieder an die Umgebung ab. Fehlen ausgleichende Winde sowie Kaltluftentstehungsgebiete wie Wälder, Wiesen und Gewässer, führt das darüber hinaus dazu, dass die Luft über Nacht nicht mehr richtig abkühlen kann. Dies verstärkt den Effekt der Hitzeinseln.

Natürliche «Klimaanlagen» schaffen

Die gute Nachricht ist: Es gibt Massnahmen, um die Entstehung solcher Hitzeinseln zu reduzieren. Dabei spielen Bäume und Grünflächen eine wichtige Rolle. «Sie sind natürliche <Klimaanlagen>», sagt Susanne Schellenberger, Projektleiterin Klima am ILF Institut für Landschaft und Freiraum an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. «Bäume schaffen Abkühlung, indem sie Schatten spenden und Wasser verdunsten lassen. Zudem erhöhen attraktiv gestaltete Grünflächen die Aufenthaltsqualität für Menschen – und sie können einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten.»

«Bäume schaffen Abkühlung, indem sie Schatten spenden und Wasser verdunsten lassen. Zudem erhöhen attraktiv gestaltete Grünflächen die Aufenthaltsqualität für Menschen – und sie können einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten.»

Susanne Schellenberger
Projektleiterin Klima am ILF Institut für Landschaft und Freiraum an der OST – Ostschweizer Fachhochschule

Bei Neu- und Umbauprojekten sei es essenziell, blau-grüne Infrastruktur zu integrieren, so Tobias Baur, Professor für Landschaft und Freiraum an der OST. Blau-grüne Infrastrukturen sind Konzepte und Systeme, die natürliche Elemente wie Wasser (blau) und Vegetation (grün) in die Planung und Entwicklung städtischer Räume aufnehmen. Diese Infrastrukturen dienen dazu, nachhaltige und ökologisch ausgerichtete Lösungen für städtische Herausforderungen wie Überhitzung, Luftverschmutzung, Starkregen, Überschwemmungen und Biodiversitätsverlust zu schaffen.

Auch Besitzerinnen und Besitzer von Einfamilienhäusern haben es in der Hand, ihr Grundstück klimaresilient zu gestalten. Etwa, indem sie Flächen unversiegelt lassen respektive entsiegeln, unterschiedliche Pflanzenstrukturen anlegen und Dächer sowie Fassaden begrünen. Denn eine Bepflanzung trägt zur Verdunstung und damit zur Kühlung der Umgebung bei. Durchlässige Böden sorgen dafür, dass Regenwasser auf dem Grundstück versickern kann.

Wasser aufsaugen wie ein Schwamm

Es ist unumgänglich, dass Städte und Gemeinden mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen wissen. «Dazu sind frühzeitige Klimaanpassungskonzepte notwendig», sagt Tobias Baur. «Die Raumentwicklung muss verschiedene Themen wie Kaltluftschneissen, Kühlungsaspekte durch blau-grüne Infrastruktur und Freiräume als Erholungsräume verstärkt aufnehmen und konsequent umsetzen».

«Die Raumentwicklung muss verschiedene Themen wie Kaltluftschneissen, Kühlungsaspekte durch blau-grüne Infrastruktur und Freiräume als Erholungsräume verstärkt aufnehmen und konsequent umsetzen.»

Tobias Baur
Professor für Landschaft und Freiraum an der OST – Ostschweizer Fachhochschule

Der Klimawandel führt einerseits zu Hitzewellen und Trockenheit, andererseits aber auch immer häufiger zu Starkregen und damit zu Überschwemmungen. Wie können sich Städte und Gemeinden gegen solche Wetterextreme besser wappnen? Einen Lösungsansatz stellt gemäss Susanne Schellenberger und Tobias Baur das Schwammstadt-Prinzip (Sponge City) dar. Dieses Konzept der Planung zielt darauf ab, dass Regenwasser lokal zurückgehalten, verdunstet, versickert und wiederverwendet wird, statt einfach nur in der Kanalisation abgeführt zu werden. Das Schwammstadt-Prinzip vermindert so die Gefahr von Überschwemmungen und entlastet die Kanalisation. Es steht zudem der Vegetation zur Verfügung. Dies gewinnt im Hinblick auf die immer häufiger werdenden Hitze- und Trockenheitsperioden an Bedeutung. Neben Sickermulden für den Rückhalt und grösseren Pflanzflächen kommt beim Schwammstadt-Prinzip auch Dach- und Fassadenbegrünungen eine wesentliche Rolle zu. Diese können Niederschläge aufnehmen und zurückhalten. Zudem kühlen die Pflanzen die Umgebung durch ihre Verdunstungsleistung ab.  

Eine Vorreiterrolle bezüglich Schwammstadt-Prinzip übernimmt die dänische Hauptstadt Kopenhagen. Aber auch Schweizer Städte wie beispielsweise St.Gallen wollen sich mehr und mehr zur Schwammstadt entwickeln. Auch Luzern ist dabei, gemeinsam mit der OST, verschiedenste Schwammstadtbausteine im Strassenraum zu planen und anschliessend über eine gewisse Zeit zu testen.

Wissen und Kompetenzen für eine nachhaltige Raum- und Landschaftsentwicklung

Wie kann GIS effizient in Planungen angewandt werden? Wie lassen sich in Siedlungen resiliente Baumpflanzungen gestalten? Wie können historische Gärten erhalten und geschützt werden? Und wie gelingt es, Mobilität und Verkehrssysteme zukunftsfähig zu gestalten? Auf diese und viele weitere Fragen bieten die Weiterbildungen der OST im Bereich Raum und Mobilität Antworten.