Immer mehr Schulen stellen neben Schulsozialarbeitenden auch Sozialpädagoginnen und -pädagogen ein. Beide Berufsgruppen verfolgen das Ziel, Kinder und Jugendliche in ihrem Wohlbefinden und im gelingenden Aufwachsen zu unterstützen. Sie verfügen in der Regel über ähnliche Ausbildungen, ihre Tätigkeiten, ihr Auftrag und ihre Grundprinzipien unterscheiden sich jedoch.
Ein Kind sitzt des Öfteren unkonzentriert in der Schulbank, stört den Unterricht und fühlt sich unwohl. Wer kann hier weiterhelfen? Die Schulsozialarbeiterin? Der Schulsozialpädagoge? Oder beide? Um Kinder und Jugendliche mit herausfordernden Verhaltensweisen aufzufangen, werden an immer mehr Volksschulen neben den Schulsozialarbeitenden, vermehrt auch Sozialpädagoginnen und -pädagogen eingestellt. Denn die intensive Begleitung von meist Einzelnen oder Kleingruppen im schulischen Alltag kann die Schulsozialarbeit in der Regel nicht allein leisten.
Doch wie sieht eine gelungene Zusammenarbeit zwischen den beiden Disziplinen aus? «Diese Frage brennt vielen unter den Nägeln», sagt Martina Good, Leiterin des CAS Schulsozialarbeit an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Sie hat ihre Masterthesis zum Thema Schulsozialpädagogik & Schulsozialarbeit geschrieben und publiziert. Im Rahmen dieser Arbeit untersuchte sie die jeweiligen Aufgaben und Zielsetzungen, das methodische Handeln und die konkreten Arbeitsweisen sowie die Grundprinzipien von Schulsozialpädagogik und Schulsozialarbeit. Daneben begleitet sie mehrere Fachpersonen und Institutionen in diesen Fragestellungen und beobachtet die Entwicklungen intensiv.
Unterschiede bei den Grundprinzipien
Bei den Zielsetzungen gebe es viel Übereinstimmung, so Martina Good. «Beide Arbeitsfelder verfolgen das Ziel, die Schülerinnen und Schüler in ihrem Wohlbefinden und im gelingenden Aufwachsen zu unterstützen.» Jedoch begleiten Fachpersonen der Schulsozialpädagogik teilweise Klassen im Regelunterricht oder übernehmen sogar lehrplanorientierte Unterrichtseinheiten. Derweil liegt die Aufgabe der Schulsozialarbeit eher darin, Workshops zu spezifischen Themen zu gestalten und Präventionsprogramme und -angebote in Schule und Freizeit anzubieten.
Was das methodische Vorgehen und die konkrete Arbeitsweise betrifft, nimmt die Schulsozialarbeit eine coachende Funktion ein. Ziel ist es, den Kindern und Jugendlichen eigenständige Erkenntnisprozesse zu ermöglichen. Die Schulsozialpädagogik zielt hingegen darauf ab, vorab definierte Verhaltensänderungen zu bewirken.
Die grössten Unterschiede liegen nach Erkenntnis von Martina Good im Bereich der Grundprinzipien und der Haltung. «Die Schulsozialarbeit betont die Freiwilligkeit ihres Angebotes, wohingegen die Schulsozialpädagogik als eher hochschwellige, verbindliche Massnahme für die Schülerinnen und Schüler verstanden werden kann.»
Synergien und neue Potenziale
An einigen Schulen hat sich das Tandem zwischen Schulsozialarbeit und Schulsozialpädagogik bereits etabliert, an anderen beginnt der Findungsprozess. Klar ist: Die Zusammenarbeit beider Arbeitsfelder ermöglicht Synergien und bietet neue Potenziale. Es bedarf aber auch einer Klärung, wer welche Aufgaben übernimmt. «Für die Kinder und Jugendlichen spielt es grundsätzliche keine Rolle, ob sie Unterstützung von Schulsozialpädagoginnen und -pädagogen oder Schulsozialarbeitenden erhalten», sagt Martina Good. «Wichtig ist, dass sie nicht durch die Maschen fallen». Durch die Kooperation beider Berufsgruppen sei es viel besser möglich, belastete Schülerinnen und Schüler aufzufangen und Chancen in deren Sinne zu schaffen.
Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Community-Anlass Schulsozialarbeit, der zum Thema «Schulsozialpädagogik und Schulsozialarbeit im Tandem: Gelebte Praxis» stattfand.
Weiterbildung in Schulsozialarbeit
Die Schulsozialarbeit bietet eine niederschwellige und beziehungsorientierte Anlaufstelle im schulischen Alltag. Eine Tätigkeit in diesem komplexen Handlungsfeld der Sozialen Arbeit setzt spezifisches Wissen und Können voraus. Der CAS Schulsozialarbeit an der OST – Ostschweizer Fachhochschule vermittelt entlang der Kinderrechtskonvention professionelle Kompetenzen und fördert die Kooperation zwischen Berufseinsteigenden und schulischen, schulnahen sowie familienergänzenden Fachstellen. Neu wird auch ein CAS Schulsozialpädagogik angeboten.
Stimmen aus der Praxis: Vertreterinnen und Vertreter aus Schulsozialpädagogik und Schulsozialarbeit
«Bei der Schulsozialarbeit können die Schülerinnen und Schüler einfach anklopfen. Bei uns Sozialpädagogen ist alles viel hochschwelliger, denn wir begleiten die Jugendlichen ausschliesslich dann, wenn wir den Auftrag dazu erhalten. Wir sind ausführend, die Schulsozialarbeit wirkt eher steuernd. Im Unterschied zur Schulsozialarbeit kommt die Schulsozialpädagogik dann zum Einsatz, wenn ein Verhalten im Klassenunterricht längerfristig Herausforderungen bringt. Dies kann sich in Form von Schulabsentismus wie auch störendem Verhalten zeigen.»
Stephan Süess
Schulsozialpädagoge an der Sekunderschule Höfe, Pfäffikon (SZ)
«Eines unserer Angebote besteht darin, mit Jugendlichen, die besonderen Förderbedarf benötigen, rauszugehen und Arbeiten für Private oder die öffentliche Hand auszuführen. Durch die Begleitung über Tage oder gar Wochen können wir eine Beziehung zu ihnen aufbauen. Einige blühen richtig auf bei diesen Arbeitseinsätzen und es kommen Ressourcen zum Vorschein, die im Regelunterricht verborgen bleiben. Es gab schon Jugendliche, die geweint haben, als die Massnahme zu Ende war.»
Matthias Stürmlin
Schulsozialpädagoge an der Sekunderschule Höfe, Pfäffikon (SZ)
«Dadurch, dass ich neben meiner Aufgabe als Schulsozialarbeiterin auch in der Kleinklasse tätig bin, sehe ich nicht nur die Schwierigkeiten, sondern auch die Ressourcen der Schülerinnen und Schüler. Diese zusätzliche Perspektive ermöglicht mir, ganz anders mit ihnen zu arbeiten und es ist auch mehr Vertrauen da.»
Doris Johnson
Schulsozialarbeiterin sowie Mitarbeiterin im Kleinklassen-Team, Primarschule Kirchplatz, Wil (SG)
«Meine Aufträge erhalte ich jeweils von der Schulleitung. Mit den mir anvertrauten Kindern spiele ich in der Pause auch mal Fussball oder unternehme mit ihnen einen Spaziergang. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie sich mir im lockeren Rahmen eher anvertrauen. Wenn ich bemerke, dass ein Kind sehr belastet ist, involviere ich in Absprache mit ihm die Schulsozialarbeiterin.»
Pascal Schönenberger
Schulsozialpädagoge, Primarschule Bergli, Arbon (TG)
«Wir haben an unserer Schule ein zweijähriges Schulsozialpädagogik-Projekt durchgeführt. Dieses ist sehr gut angekommen, deshalb wurden nun auch in den anderen Schulhäusern neue Schulsozialpädagogik-Stellen geschaffen. Die Kinder kennen den Unterschied zwischen den beiden Berufsgruppen zwar nicht wirklich, finden es aber toll, weitere Ansprechpersonen zu haben. »
Mangalika Runge
Schulsozialarbeiterin, Primarschule Bergli, Arbon (TG)
«Die Zusammenarbeit zwischen Schulsozialarbeit und Schulsozialpädagogik funktioniert an unserer Schule sehr gut – auch dank regelmässiger Absprachen. Die Schulsozialpädagogik sehe ich nicht als Konkurrenz, sondern als sinnvolle Ergänzung. Wenn eine Lehrperson bei einem Kind mehr Unterstützung benötigt, kann mich der Schulsozialpädagoge bei Kapazitätsengpässen entlasten.»
Christina Müller
Schulsozialarbeiterin, Primarschule Maur (ZH)
«Als Schulsozialpädagoge bin ich länger an einem Fall dran als die Schulsozialarbeiterin. Ich begleite die Kinder meist etwa ein Jahr lang und bin auch oft im Unterricht dabei. Der Vorteil ist, dass ich dadurch eine Situation über eine längere Zeit beobachten kann und sehe, wo vielleicht zusätzliche Problematiken liegen, die man auf den ersten Blick nicht erkennt.»
Fabian Engler
Schulsozialpädagoge, Primarschule Maur (ZH)