«Durch Aufwertungsprojekte können innovative und einzigartige Objekte entstehen»

30. August 2021

Die Architektin Tanja Foretic sieht in Einrichtungsgegenständen aus früheren Zeiten eine nachhaltige Ressource mit grossem Potential. Im Rahmen ihrer Masterarbeit hat sie deshalb ein innovatives Geschäftsmodell für eine digitale Plattform entwickelt, die dazu beitragen soll, dass alte Möbel zu neuem Leben erwachen. Im Interview spricht die Absolventin des MAS in Corporate Innovation Management über den Sinn der Aufwertung, über Megatrends wie Individualisierung und über die Ostschweiz.

Interview:

Wie sind Sie auf das Thema für Ihre Masterarbeit gekommen?

Alte Möbel sind mit örtlichen Traditionen, mit Kultur, aber auch mit der eigenen Geschichte verbunden. Sie gehören zur Erinnerung einer Familie und werden innerhalb dieser meist an die Nachkommen weitergegeben. Jedoch ist es oft so, dass die vererbten Einrichtungsgegenstände nicht auf den heutigen Lebensstil zugeschnitten sind. Sie deswegen wegzuwerfen, wäre sehr schade. Eine sinnvolle und nachhaltige Alternative ist, die Möbel durch eine individuelles Designprojekt aufzuwerten, indem man sie restaurieren und modernisieren lässt und sie so den eigenen Bedürfnissen anpasst. Diese Idee finde ich schon seit Langem spannend. Meine Weiterbildung hat mich dazu inspiriert, sie voranzutreiben. Und die Masterarbeit bot die optimale Gelegenheit, vertieft an das Thema heranzugehen. 

Tanja Foretic, Architektin, Absolventin MAS in Corporate Innovation Management

Haben Sie selbst Erfahrung mit Möbelaufwertungen?

Unser früheres Architekturbüro wandelte einst einen Jahrhunderte alten Garderobenschrank aus Massivholz zu einem kleinen Büroraum um. Der Kunde, von dem der Auftrag kam, hatte das Möbelstück geerbt und wollte es nutzen, doch für seine Wohnung war es zu voluminös und zu unpraktisch. Durch unsere Arbeit, welche die Prinzipien der Architektur in Möbeldesign transferiert hat, erhielt der Schrank nicht nur ein neues Leben, sondern auch eine ganz neue Bedeutung. Dieses Beispiel zeigt, welche innovativen und einzigartigen Objekte ein Aufwertungsprojekt hervorbringen kann.

Weshalb braucht es für solche Projekte eine digitale Plattform?

Für das soeben genannte Projekt haben sich in kurzer Zeit weitere Kunden interessiert. Damit zeigten sich aber auch die Herausforderungen: Erstens ist die Auswahl an gebrauchten Möbelstücken zahlenmässig eingeschränkt, weil sich nur Möbelstücke aus eigenem Besitz bearbeiten lassen. Zweitens stösst man als einzelnes Architekturbüro an seine Kapazitätsgrenzen und kann die steigende Nachfrage nicht decken. Und drittens sind die Umsetzungskosten relativ hoch, einige Projekte können daher nicht realisiert werden. Es wurde mir erst später klar, dass die Idee eine digitale Lösung braucht. Eine Digitale Plattform eignet sich sehr gut, um mehrere Kunden und Dienstleister ins Boot zu holen und alle Beteiligten miteinander zu vernetzen.

Die Nachfrage nach personalisierten Produkten nimmt stetig zu. Die Menschen haben vermehrt den Wunsch nach etwas Einzigartigem, das ihren Bedürfnissen gerecht wird.

Tanja Foretic, Absolventin MAS in Corporate Innovation Management

An welche Zielgruppe richtet sich die Plattform konkret?

Meine Plattform für nachhaltige Designmöbel richtet sich an zwei Kundengruppen. Darunter befinden sich einerseits die Endkunden. Diese können gebrauchte Möbelstücke modernisieren lassen, ein aufbereitetes Möbelstück erwerben, verkaufen oder tauschen. Anderseits wird ein zweites Kundensegment durch die involvierten Partnerfirmen, Designer und Möbelhersteller gebildet. Diese haben ein Interesse daran, ihre eigenen Leistungen an die Endkunden zu verkaufen. Das gesamte Wertangebot ist bequem über eine Schnittstelle erreichbar. Kundinnen und Kunden, die beispielsweise einen Schrank, Tisch oder Stuhl nach ihren Wünschen anpassen lassen möchten, können mit verschiedenen Fachleuten und Firmen in Kontakt kommen, die Modernisierungen und Restaurationen anbieten oder etwas Besonderes herstellen. Es entsteht also ein Netzwerk, das unzählige Kombinationen von Partnern zulässt und damit auch unendlich viel Raum für Ideen, Möglichkeiten und Innovation bietet.

Was macht Ihr Geschäftsmodell innovativ?

Die Idee dieser Plattform bedient gleich mehrere Megatrends. Zum Beispiel den Megatrend «Individualisierung». Die Nachfrage nach personalisierten Produkten nimmt stetig zu. Die Menschen haben vermehrt den Wunsch nach etwas Einzigartigem, das ihren Bedürfnissen gerecht wird und mit dem sie sich von der Masse abheben können. Mein Geschäftsmodell ermöglicht die Entstehung von Unikaten und erlaubt den Kundinnen und Kunden darüber hinaus, aktiv an deren Gestaltung teilzuhaben. Alte Möbel aufzuwerten, entspricht zudem dem Megatrend «Nachhaltigkeit». Ein entscheidender Teil des Wertangebots ist das ästhetische «Design», das am Markt als neue Qualität gesehen wird und sehr geschätzt ist wegen seiner Charakteristik, direkt die Emotionen anzusprechen. Nicht zuletzt bedient das Geschäftsmodell aber auch den Megatrend «Digitalisierung und digitale Plattform». Dieser Megatrend hat Wirtschaft und Gesellschaft in den vergangenen Jahren so stark geprägt wie kaum ein anderer.

Aus Ihrer Masterarbeit resultierte auch ein Prototyp einer digitalen Plattform für nachhaltige Designmöbel. Stehen Sie kurz vor der Umsetzung des Projekts?

Die Plattform befindet sich noch im Aufbau. Derzeit bin ich mit verschiedenen möglichen Partnern , die ihre Dienstleitungen anbieten könnten, im Gespräch. Zudem suche ich noch nach dem richtigen Anbieter, der die Plattform entwickelt. Geplant ist auch, eine Marktanalyse durchzuführen, bei der abgeklärt werden soll, welches Interesse potenzielle Kundinnen und Kunden haben. Es steckt also noch viel Arbeit dahinter. Ein schönes Etappenziel war aber, dass ich die Masterarbeit zusammen mit Professorin Dr. Petra Kugler, die mich betreut hat, am «Davos Digital Forum 2020 – Academic Track» präsentieren durfte. Wir haben gute Rückmeldungen darauf bekommen. 

Es ist auch vorgesehen, eine Region als Testgebiet auszuwählen. Welche ist aus Ihrer Sicht dazu geeignet?

Ich denke da an die Ostschweiz, wo sowohl Tradition als auch Innovation spürbar sind. Wie ich festgestellt habe, sind Design und Nachhaltigkeit hier ebenfalls wichtige Werte. Deshalb kann ich mir diese Region gut als Testgebiet vorstellen. Ich plane, zuerst einmal mit einem kleineren Netzwerk online zu gehen und dieses dann nach und nach zu erweitern.

Gibt es überraschende Erkenntnisse, die Sie während Ihrer Arbeit gewonnen haben?

Bei meiner Recherche in der Fachliteratur habe ich gelesen, dass der Wettbewerb in Zukunft weniger zwischen Produkten oder Prozessen stattfinden wird, sondern vielmehr zwischen Geschäftsmodellen. Das hat mich anfangs schon überrascht. Zudem hat mir die Arbeit verdeutlicht, dass digitale Plattformen heute oft das Zentrum von Geschäftsmodellinnovationen bilden. Auch bei der Umsetzung meiner langjährigen Idee, alte Möbel aufzuwerten, scheint die digitale Lösung erfolgsversprechend. Das ist eine der weiteren wichtigen Erkenntnisse, die ich während meiner Masterarbeit gewonnen habe.

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