In der Literaturwelt sind Frauen unterrepräsentiert: Sie werden weniger verlegt, weniger rezensiert und weniger ausgezeichnet. Weshalb sich Katrin Sutter, Absolventin CAS Medienpädagogik an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, trotzdem entschieden hat, einen Verlag zu gründen, warum sie fast ausschliesslich Bücher von Frauen verlegt und wie sie die Situation von Frauen in der Verlagsbranche einschätzt, erzählt sie im Interview.
Interview:
Katrin Sutter, der Buchbranche geht es nicht gut, der Leserinnen- und Leserschwund ist chronisch. Zudem haben Frauen in der Literaturwelt einen schweren Stand. Warum haben Sie sich bei dieser Ausgangslage entschlossen, einen Verlag zu gründen?
Diese Ausgangslage habe ich ganz einfach ausgeblendet. Die Buchbranche ist eine Branche voller Idealistinnen und Idealisten. Als es zur Verlagsgründung gekommen ist, hatte ich als TV-Journalistin und Filmemacherin schon 17 Jahre lang meine eigene Firma. Ich hatte damals ein Buchprojekt begonnen: eine Biografie über den Kunstturner Lucas Fischer, der am Höhepunkt seiner internationalen Karriere an Epilepsie erkrankte. Ich merkte, dass ich wenig Lust hatte, bei Verlagen Klinken zu putzen und hingegen viel Lust, mich in die Buchbranche einzuarbeiten. Mein Traum als Kind war es, Buchhändlerin zu werden. Mit meiner Firma Redaktionsbüro.ch GmbH (früher Framix GmbH) hatte ich bereits ein publizistisches Unternehmen, also sozusagen bereits einen Verlag. Ich besuchte eine Quereinsteigerausbildung beim Buchhandels- und Verlagsverband, die mir grosse Freude bereitete, krempelte meine Ärmel hoch und schaffte innert kurzer Zeit alle wichtigen Strukturen, die es für einen Verlag braucht, damit er professionell aufgestellt ist und wahrgenommen wird. Diesen integrierte ich in meine bestehende Firma. In den ersten beiden Jahren veröffentlichte ich jeweils fünf Bücher pro Jahr, jetzt sind es zwischen zwei und vier. Dass dabei die meisten Bücher von Autorinnen geschrieben wurden, hat sich so ergeben und war nicht von Beginn an geplant. Auf die Bestsellerliste habe ich nie spekuliert – umso schöner, dass es ab und zu funktioniert hat und wir dieses Jahr sogar für Monate die Sachbuch-Bestsellerliste anführen mit dem Buch «Beziehungskosmos».
Was machen Sie als Verlegerin?
Da wir kein grosser Verlag sind, bin ich in fast überall involviert und mache vieles selbst. Ich habe eine Mitarbeiterin in einem kleinen Pensum, die mich unterstützt und eine freischaffende Buchgestalterin, die unsere wirklich sehr schönen Bücher gestaltet, natürlich immer in Absprache mit mir und den Autorinnen. Das Korrektorat vergeben wir auch extern. Eine wahrscheinlich nicht vollständige Aufzählung meiner Tätigkeiten als Verlegerin beinhaltet: Manuskripte lesen und auswählen; Verlagslektorat; Projektleitung für die Bücher; Presse- und Netzwerkarbeit; Betreuung der Autorinnen und Autoren; Bücher schleppen, zählen, einpacken und versenden, Titelfindung und Covergestaltung unterstützen, Finanzierungsgesuche versenden, Lesungen moderieren.
Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Bücher aus?
Es müssen meine Lieblingsbücher sein – das ist auch unser Claim. Oder sagen wir es so: Wir lieben relevante Themen, wir lieben Diskussionen und wir lieben Bücher. Unsere Bücher sind gehaltvoll, sorgen für Gesprächsstoff und sind immer auch persönlich. Unsere Bücher erzählen das Leben. Unsere Bücher sind immer auch unsere Lieblingsbücher.
Katrin Sutter (49) gründete 2017 den Arisverlag in Embrach, Zürich. Ursprünglich als Filmemacherin und Fernsehjournalistin tätig, machte sie sich nach Stationen beim Schweizer Fernsehen SRF und Ringier-TV im Jahr 2000 selbstständig. Sie absolvierte eine Quereinstiegsausbildung beim Buchhandels- und Verlagsverband in Verlagsarbeit. Im Sommer verlegte Sutter das Sachbuch «Beziehungskosmos» und erreichte damit die Schweizer Bestsellerliste. An der OST – Ostschweizer Fachhochschule absolvierte sie eine Weiterbildung in Medienpädagogik.
Weshalb verlegen Sie fast ausschliesslich Bücher von Frauen?
Es hat sich einfach so ergeben, dass ich fast ausschliesslich Frauen verlege und ich finde, das passt ganz gut. Ich glaube, das liegt einerseits daran, dass ich keine Scheuklappen habe und eben nicht automatisch denke, dass Bücher von Männern besser besprochen werden in Feuilletons (auch wenn das leider so ist). Wahrscheinlich treffen Bücher von Frauen einfach besser unser Verlagscredo. Ausserdem sind Frauen auch eher bereit, mit anzupacken – was man in einem kleinen Verlag halt ab und zu muss. Wir haben nicht für jede Abteilung eine Person und keine Rundumbetreuung. Jedoch: Keine Regel ohne Ausnahme – diesen Herbst haben wir das Buch des 20-jährigen Nelio Biedermann herausgebracht. «Anton will bleiben» – ein grandioses Debüt.
In einem Interview mit der woz haben Sie gesagt, dass Sie den Arisverlag nicht als feministischen Verlag bezeichnen würden. Warum nicht?
Weil man weder mich noch meinen Verlag in eine Schublade stecken kann.
Studien zeigen: Frauen sind in der Literaturwelt unterrepräsentiert. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Was könnte die Literaturbranche dagegen unternehmen?
Ich frage mich als Quereinsteigerin auch, warum das so ist. Ich mag es aber nicht zu jammern und setze auf Ressourcenstärkung, kreative Lösungen und Machen. Das habe ich auch bezüglich der Vereinbarkeit von Kindern und Beruf so gehandhabt. Mit meinem Arisverlag habe ich die Chance, die Buchwelt mitzugestalten, statt eben zu jammern. Ich kenne auch einige Quereinsteiger in der Buchhandelswelt, zum Beispiel die Buchhandlung Kapitel 10 in Zürich Höngg. Sie schauen sehr genau darauf, mindestens gleich viele Autorinnen für Lesungen einzuladen wie Autoren, eher mehr Frauen. In der Schweiz wurden in den letzten Jahren aber auch vermehrt Frauen ausgezeichnet, das darf man schon auch sagen.
Stellen Sie in der Verlagsbranche auch eine Unterrepräsentation der Frauen fest?
Nein. Wie in allen Berufen, wo man unterbezahlt wird, aber eine gute Ausbildung nötig ist, findet man bei uns sogar sehr viele Frauen. An Anlässen der Buchbranche treffe ich auf sehr viele Frauen. Viele Verlage werden heute von Frauen gegründet. Für mich zählt aber nicht das Geschlecht, sondern dass Menschen etwas ‘reissen’ und tolle Sachen auf die Beine stellen, mutige Entscheidungen treffen und einander helfen. Zu Beginn meiner Verlagszeit wurde ich stark von erfahrenen Verlags- und Buchmenschen unterstützt, die mir mit Rat und Tat ausgeholfen haben. Das waren fast ausschliesslich Männer.
Welche Bücher lesen Sie selbst am liebsten?
Ich lese sehr breit, Belletristik, Sachbücher, Biografien, letzthin habe ich auch eine grossartige Graphic Novel geschenkt erhalten. Sehr gerne mag ich es, wenn ich von Buchhändlerinnen oder Buchhändlern meines Vertrauens ein Buch empfohlen bekomme und mich dieses Buch dann wirklich auch sehr begeistert. Sach- und Fachbücher lese ich eher langsam und so als Zwischenmahlzeit. An guter Literatur oder auch an Erfahrungsberichten schätze ich es am meisten, wenn ich richtig gehend hineingebe und ein Wochenende durchlese.
CAS Medienpädagogik
Wer medienpädagogisch arbeitet, benötigt ein vertieftes Wissen zu den Funktionsweisen der Medien. Gefragt ist auch die Fähigkeit, Handlungsoptionen für den Umgang mit diesen abzuleiten sowie entsprechende Konzepte auszuarbeiten, umzusetzen und zu evaluieren. Der CAS Medienpädagogik verfolgt das Ziel, Menschen zu befähigen, die Potenziale digitaler Medien zu entwickeln und zu nutzen.